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Daisy Goodwin

Daisy Goodwin

Titel: Daisy Goodwin
Autoren: Eine englische Liebe
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glaubte zu erkennen, wie
ein Kinderwagen auf den Bahnsteig gehoben wurde, aber als sich der Dampf
verzog, sah er, dass es ein Rollstuhl war. Er hielt für einen Moment die Luft an.
Wenn Cora auch in diesem Zug nicht war, bedeutete das, sie würde nicht kommen.
Sein Mund war trocken, an die Stelle der Zweifel, die er noch einen Augenblick
zuvor gehabt hatte, war plötzlich Leere getreten. Und dann sah er zwei Frauen
über den Bahnsteig auf sich zukommen, beide trugen einen Hut mit Schleier für
die Reise; eine von ihnen hatte Coras Größe, die andere ging etwas hinter ihr
neben einem Gepäckträger, der einen Stapel Koffer auf einem Rollwagen vor sich
herschob. Teddy begann auf sie zuzugehen, seine Schritte wurden immer
schneller, bis er fast rannte. Dann blieb er mit klopfendem Herzen stehen. Es
muss Cora sein, dachte er; und doch hatte er noch nie bemerkt, dass Coras
Bewegungen von so einer Eleganz waren. Die Frau blieb stehen. Sie hob ihren
Schleier, und dann sah er mit betäubender Klarheit ihre vollen blonden Haare.
    «Mr. Van Der Leyden. Was für eine
angenehme Überraschung.» Charlotte Beauchamp schenkte ihm ein schiefes, kleines Lächeln, das eingestand,
dass sie beide die Verlierer in diesem besonderen Spiel waren. «Aber ich
fürchte, Sie haben nicht auf mich gewartet», fuhr sie fort und wich angesichts
der bodenlosen Enttäuschung in seinem Blick ein wenig zurück.
    «Nein», sagte er, «habe ich nicht.»
Sie legte ihre in einem Handschuh steckende Hand auf seinen Arm. Als sie zu ihm aufsah,
konnte er sehen, dass das Weiß ihrer Augen von Rot durchzogen war. Sein eigener Schmerz
und Verlust spiegelten sich in ihren blauen Augen. Wie seltsam, dachte er, dass diese Frau, gegen die er eine
solche Abneigung gehabt hatte, der einzige Mensch sein sollte, der ihn jetzt
verstehen konnte.
    Sie neigte den Kopf etwas zur Seite
und blinzelte schnell, als hätte sie etwas im Auge.
    «Ich verstehe Ihre Verzweiflung, Mr.
Van Der Leyden. Ich weiß, wie es ist, das zu verlieren, was man am meisten begehrt.
Aber Sie müssen stark sein und warten. Sie müssen warten.» Damit nickte
Charlotte Beauchamp ihm zu und verließ, gefolgt von ihrer Zofe, den Bahnsteig.
Teddy sah ihr nach und fragte sich, wie er ihre geschmeidige Eleganz für Coras
drängenden Schritt hatte halten können.
    Der Bahnsteig war jetzt leer, aber
er konnte sich nicht überwinden, den Ort zu verlassen, an dem er ein paar Stunden
lang die Zukunft gehabt hatte, die er wollte. Eine Taube begann seine Füße zu
umkreisen, vielleicht hielt sie ihn für eine Statue. Unter großer Anstrengung
setzte er sich in Bewegung, jeden Schritt empfand er als Betrug. Charlotte
Beauchamp hatte gesagt, er müsse warten, aber worauf, fragte er sich. Auf
schnelle Schritte auf einem Bahnsteig, auf jenen Tag, an dem er aufwachen
würde, ohne das Band des Leidens zu spüren, das ihm schon jetzt die Brust
zuschnürte?
    Im Kinderzimmer zog Cora den Finger aus der Faust ihres
Babys. Es schlief jetzt. Der Himmel wurde langsam dunkel, und sie würde sich
bald zum Dinner umziehen. In ihrem Zimmer schlief Ivo. Sie legte sich neben
ihn auf das Bett, ihr Gesicht neben seinem, sodass sie das Erste wäre, was er
sähe, wenn er aufwachte. Seine Gesichtszüge waren jetzt ganz weich, und obwohl
seine Augen geschlossen waren, hatte sein Ausdruck etwas Offenes. Cora fragte
sich, ob sie ihren Mann jetzt endlich verstanden hatte. Sie hatte nun das
Gefühl, und der Gedanke erfüllte sie mit Wärme, dass er ihren Schutz brauchte.
Aber dann bewegte er sich, ein Traum trieb ihn um, und er erstarrte, als hätte
er einen unsichtbaren Schlag bekommen. Vielleicht würde sie ihn nie wirklich
kennen. Vor anderthalb Jahren wäre ihr dieser Gedanke unerträglich gewesen, aber jetzt hatte
sie ihren Frieden mit den Unwägbarkeiten des Lebens gemacht. Seit sie nach
England gekommen war, hatte sie gelernt, die klaren und schönen Tage zu
würdigen, die den Nebel durchbrachen. Natürlich könnte sie sich ein
angenehmeres Klima leisten, aber diese plötzliche Freude, wenn ein Sonnenstrahl
durch die Vorhänge fiel und einen klaren Tag versprach, die ließ sich nun
einmal nicht kaufen.

Danksagung

    Die Figuren in diesem Buch sind im
Großen und Ganzen fiktiv, aber die Umstände, in denen sie sich befinden, sind
es nicht. Wenn es um das Gilded Age, die Blütezeit Amerikas, geht, kann
es gar nicht phantastisch genug zugehen – je phantastischer die Umstände, desto
wahrscheinlicher ist es, dass es genau so war. Ein
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