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Daisy Goodwin

Daisy Goodwin

Titel: Daisy Goodwin
Autoren: Eine englische Liebe
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Gehen.
    «Mr. Rhinehart!» Der Mann erstarrte
auf dem glänzenden Parkett. «Ich kann mich doch darauf verlassen, dass Sie so
verschwiegen waren, wie ich befohlen habe!» Dies war keine Frage.
    «O ja, Mrs. Cash. Ich habe alles
allein gemacht, deshalb bin ich heute erst fertig geworden. Jeden Abend, wenn die Lehrlinge nach Hause gegangen
waren, habe ich in der Werkstatt daran gearbeitet.»
    «Gut.» Das
war die Erlaubnis, sich zu entfernen. Mrs. Cash ging ans andere Ende des
Spiegelsaals, wo zwei Diener darauf warteten, ihr die Tür zu öffnen. Mr.
Rhinehart schlich die Marmortreppe hinunter, wobei seine Hand eine feuchte Spur
auf dem Geländer hinterließ.
    Im Blauen Salon versuchte Cora Cash sich auf ihr Buch zu
konzentrieren. Cora konnte sich mit den wenigsten Büchern anfreunden – all
diese schlichten Gouvernanten –, aber dieses hier ließ sich durchaus
empfehlen. Die Heldin war schön, schlau und reich, ähnlich wie Cora selbst.
Cora wusste, dass sie schön war – wurde sie in den Zeitungen nicht immer als
«die göttliche Miss Cash» bezeichnet? Sie war klug, denn sie beherrschte drei
Sprachen und konnte rechnen. Und reich ... nun, das war sie zweifellos. Emma
Woodhouse war nicht in dem Sinne reich, in dem sie, Cora Cash, reich war. Emma
Woodhouse lag nicht auf einem lit polonaise, das einmal Madame du Barry
gehört hatte, in einem Zimmer, das, abgesehen von dem Farbgeruch, der immer
noch in der Luft hing, eine genaue Nachbildung von Marie Antoinettes
Schlafgemach im Petit Trianon war. Emma Woodhouse ging zu den
Tanzveranstaltungen, die in gewöhnlichen Versammlungsräumen stattfanden, nicht
in eigens erbauten Ballsälen voll phantastischer Kleider. Aber Emma Woodhouse
hatte keine Mutter, was bedeutete, dachte Cora, dass sie schön, klug, reich und
frei war. Das ließ sich über Cora nicht sagen, die ihr Buch vor sich
ausgestreckt hielt, weil ein stählerner Stab an ihre Wirbelsäule gebunden
worden war. Coras Arme schmerzten, und sie sehnte sich danach, sich auf Madame du
Barrys Bett zu legen, aber ihre Mutter glaubte,
dass täglich zwei Stunden an diesem Wirbelsäulenstraffer ihr die Haltung einer
Prinzessin verleihen würden, wenn auch einer amerikanischen, und so hatte Cora
jedenfalls im Moment keine andere Wahl, als ihr Buch in einer sehr unbequemen
Pose zu lesen.
    Ihre
Mutter, das wusste Cora, überprüfte jetzt gerade die Sitzordnung für das
Dinner, das sie vor dem Ball geben würde, und vervollkommnete alles so, dass
jeder ihrer über vierzig Gäste genau wissen würde, wie hell er an Mrs. Cashs
gesellschaftlichem Firmament strahlte. Zu Mrs. Cashs extravagantem Ball
eingeladen zu werden war eine Ehre, zu dem vorangehenden Dinner eingeladen zu
werden ein Privileg, aber ein Platz in unmittelbarer Nähe von Mrs. Cash selbst
war eine Auszeichnung, die nicht leichtfertig vergeben wurde. Mrs. Cash gefiel
es, ihrem Gatten beim Dinner gegenüberzusitzen, seit sie erfahren hatte, dass
der Prinz und die Prinzessin von Wales sich nicht an den Kopfenden
gegenübersaßen, sondern an den langen Seiten der Tafel. Cora wusste, dass sie
an einem der Enden sitzen würde, umrahmt von zwei angemessenen Junggesellen,
und dass von ihr erwartet wurde, ihnen gerade so schöne Augen zu machen, dass
sie ihren Ruf als Schönheit der Saison bestätigte, aber auch wieder nicht so,
dass sie die Listen gefährdete, die ihre Mutter für ihre Zukunft ersonnen
hatte. Mrs. Cash gab diesen Ball, um Cora als kostbares Juwel vorzuführen, das
bewundert, aber nicht berührt werden durfte. Dieser Diamant war für eine Krone
bestimmt.
    Unmittelbar nach dem Ball würden die
Cashs nach Europa reisen, mit ihrer Yacht, der SS Aspen. Mrs. Cash
hätte niemals etwas so Vulgäres getan wie anzudeuten, dass sie diese Reise
machten, um Cora einen Adelstitel zu beschaffen; sie hatte nicht, wie manch
andere Dame in Newport, The American Titled Lady abonniert, eine Zeitschrift, die
über blaublütige, aber mittellose junge Männer aus Europa informierte, die
eine reiche amerikanische Braut suchten, aber Cora wusste, dass die Ambitionen
ihrer Mutter grenzenlos waren.
    Cora legte den Roman nieder und
bewegte sich unbehaglich an dem Stab. Bertha musste doch langsam kommen und
sie abschnallen. Der Riemen auf ihrer Stirn schnitt schon ein; sie würde auf
dem Ball vollkommen lächerlich aussehen mit einer großen roten Schwellung über
der Augenbraue. Es hätte ihr nicht das Geringste ausgemacht, ihre Mutter zu
verärgern, aber sie hatte ihre eigenen
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