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Der Lange Weg Des Lukas B.

Der Lange Weg Des Lukas B.

Titel: Der Lange Weg Des Lukas B.
Autoren: Willi Faehrmann
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Der lange Weg des Lukas B.
    Die Hechte werden bald beißen«, sagte der alte Mann. Sein Wort lockte die Männer aus den warmen Häusern. Noch vor Sonnenaufgang luden sie sich die Geräte auf die Schultern und zogen los. Unter ihren Stiefeln knirschte der Schnee. Das erste Licht stand kalt zwischen den Fichtenspitzen. Wenn sich die frühe Sonne groß und rotfarben über den Waldsaum schob und sich ihr Bild in dem blinden Spiegel des Sees abmalte, hatten die Männer bereits mit schweren Beilen Löcher in die dicke Eisdecke geschlagen und sie legten ihre Schnüre aus. Weit über den See gestreut, hockten sie da, regungslos, schwarze Gestalten, die Köpfe tief in die Pelze geduckt, Katzen vor Mauslöchern. Später füllten sie aus den Säcken Kohle in kleine Eisenkäfige und zündeten Feuer an. Es war, als habe die Sonne helle Glutfunken über den See geworfen. Den Plan für die Käfige hatte der alte Mann, als er noch jung war, mit einem Stift auf einen breiten Holzspan gezeichnet. Der Schmied hatte nach diesem Plan, kopfschüttelnd über den neumodischen Kram, aus dünnen Eisenstangen geschmiedet, was der alte Mann sich ausgedacht hatte. Heute schüttelte kein Schmied in der ganzen Gegend mehr seinen Kopf darüber. Die Feuerkäfige hatten sich weit verbreitet und es gab kaum einen Eisfischer an den Seen, der ohne ein solches Holzkohlengitter zum Fange auszog.
    »Die Glut lockt die Fische an«, mutmaßten viele. Sicherer jedoch und wohlig für jeden war die Wärme, die das gefangene Feuer ausströmte, und angenehm war es, dass sich die Männer ein paar Fische über der Glut rösten konnten. Würziger Bratgeruch wehte dann über das Eis und die Reifkristalle in den Schnurrbärten der Männer tauten ab, wenn sie sich die heißen Fischstücke in den Mund schoben.
    In diesem Jahr blieb der große Fang lange aus.
    »Er wird alt«, spotteten die Männer, aber der alte Mann hörte darüber hinweg.
    Bevor sie schließlich heimgingen, warfen sie die wenigen Fischchen, die ihnen während der langen Stunden an den Haken gegangen waren, zornig auf das Eis. »Lieber gar nichts als so was«, riefen sie verächtlich und spuckten auf die handlangen Weißfische, die doch nur Spott im Dorfe herausfordern würden. Lieber kamen sie mit leeren Händen.
    Der alte Mann fürchtete keinen Spott und kein hämisches Lachen, wenn er nach Hause kam. Seine Frau kannte die unberechenbaren Launen der Fische, denen jeder Fischer ausgeliefert ist. Sie wusste, dass der alte Mann mit den Fischen große Geduld hatte und sich nicht entmutigen ließ. Auch an diesem Tag waren die anderen Männer längst auf dem Heimweg, als er endlich dem Jungen das Zeichen gab die Schnüre einzurollen.
    Der alte Mann schritt von Eisloch zu Eisloch und sammelte die kleinen Fischchen, spülte sie sorgsam ab und steckte sie in einen engmaschigen Netzsack. Als er die letzten Löcher erreichte, zog sich schon ein faltiges, sprödes Eishäutchen über das Wasser.
    »Wird kalt heute Nacht, Luke«, sagte er zu dem Jungen.
    »Warum sammelst du die Mistfische, die die anderen weggeworfen haben?«, fragte der Junge und er schämte sich für den alten Mann.
    »Man muss sie nehmen, wie sie kommen«, antwortete der alte Mann und stapfte los. Stumm und trotzig ging der Junge hinter ihm her. Er wusste noch nicht, warum der alte Mann jeden Pfennig zweimal umdrehte, und ahnte nicht, dass er die Fische mitnahm, um am Abendessen zu sparen.
    Aber der alte Mann wusste, dass ein zusammengesuchtes Abendessen wieder ein paar Groschen von der Schuldenlast abtrug, Schulden, die ihm sein Sohn auf den Buckel geladen hatte, Schulden, die den alten Mann zu Boden drücken wollten. Von all dem wusste der Junge noch nichts.
    Bald musst du ihm alles sagen, dachte der alte Mann, als er später beim Abendessen bemerkte, wie der Junge die gebratenen Fischchen verächtlich beiseite schob und auf einem Kanten trockenen Brotes herumkaute.
    Der alte Mann hatte es immer wieder aufgeschoben, dem Jungen alles zu sagen. Er sah, dass der Junge stolz war, und er war nicht sicher, ob er stark genug sein würde alles zu wissen. Der alte Mann wollte, dass der Junge seinen freien Blick behielt und die Augen nicht niederschlug, wenn er alles gehört hatte. Der älteste Sohn des Mannes war der Vater des Jungen und es war dem alten Mann selbst schwer gefallen, den Blicken derer standzuhalten, die alles wussten.
    Seit gestern gingen sie nun allein zum See, der alte Mann und der Junge. »Heute hat er nicht einmal Köderfische
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