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Da gehen doch nur Bekloppte hin - aus dem Alltag einer Psychotherapeutin

Da gehen doch nur Bekloppte hin - aus dem Alltag einer Psychotherapeutin

Titel: Da gehen doch nur Bekloppte hin - aus dem Alltag einer Psychotherapeutin
Autoren: Heyne
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dichtgemacht.«
    Als die Patientin die Augen wieder öffnet, ist sie überrascht darüber, wie einfach und klar ihr Gefühl plötzlich ist, nun gar nicht mehr zwiespältig und zwischen Befürchtungen und vergeblichem Hoffen hin- und hergerissen.
    Die Patientin ist sich sicher, dass das Bild der sich verweigernden Zugtür und das dazugehörige Gefühl ihr helfen werden, den Besuch der Mutter – und die folgenden – besser zu überstehen. Auch wenn es nicht leicht ist, wird sie es nun eher schaffen, keine kindlichen Hoffnungen mehr zu nähren, die Mutter könne sich ändern. Und tatsächlich gelingt es ihr in Zukunft öfter, sich zu schützen, indem sie den Kontakt so gestaltet, als handele es sich nicht um die eigene Mutter, sondern um die einer Freundin. Zunächst fällt es ihr schwer, der Mutter nicht wie ein kleines Mädchen jedes Geheimnis anzuvertrauen, sondern auch einmal etwas für sich zu behalten oder es stattdessen mit Freunden zu teilen. Sie kann die Unfähigkeit der Mutter, liebevolles Interesse für andere Menschen zu empfinden, besser als etwas Unveränderliches akzeptieren, statt sich ständig beim Versuch, Mauern einzurennen, eine blutige Nase zu holen.
    Träume können also helfen, Probleme zu lösen und Fragen zu beantworten, mit denen man sich zuvor herumgeplagt hatte, ohne eine befriedigende Antwort zu finden. Das ist nichts Mystisches, und man muss auch keine übernatürlichen Gedankengebilde bemühen, um es zu erklären. Es bedeutet lediglich, dass unser Instinkt, unser innerer Maßstab, oft viel besser funktioniert, als unser Tages- und Wachbewusstsein dies wahrnehmen kann, und dass Träume uns helfen können, einen Zugang zu ihm zu bekommen.
    Sie haben es vielleicht schon bemerkt: Diese Methode der Traumarbeit geht davon aus, dass alles, was im Traum vorkommt, jede Person, jeder Gegenstand, selbst ein Tier, ja sogar die Landschaft, Teile der Persönlichkeit des Patienten abbilden.
    Das mag eine Enttäuschung für all jene sein, die morgens bei Frühstück gern einen Krach mit dem nichts ahnenden Herzallerliebsten anfangen, der mit den Worten beginnt: »Du hast mich heute Nacht in meinem Traum betrogen, du Schwein!«
    Nein, hat er nicht. Allenfalls hat ein Teil von Ihnen selbst, der seine Maske trug, heute Nacht irgendetwas angestellt. Falls Sie auch in Zukunft Ihrem Bettgefährten gern eine frühmorgendliche Szene servieren wollen, sorgen Sie dafür, dass ihm dieses Buch nicht in die Finger fällt. Sonst wird er Ihnen vielleicht antworten: »Soso, du hast also von Untreue geträumt? Was soll ich denn davon halten?«
    Untreue ist ein gutes Stichwort für den nächsten Traum, den ich Ihnen vorstellen möchte. Der Ehemann der Patientin hat ihr von Anfang an gesagt, er halte lebenslange Treue für eine Illusion. Man lebe mit dem Menschen zusammen, der am besten zu einem passe, vielleicht sogar für den Rest seines Lebens. Aber es sei nun einmal realitätsfern, anzunehmen, sexuelle Anziehung könne ein Leben lang anhalten und man werde nicht ab und zu den Wunsch verspüren, sich auf eine Affäre einzulassen.
    Die Frau hätte eigentlich schon gern an die ewige Liebe geglaubt – samt Treue und allem Drum und Dran. Aber da der Mann ein absolutes Sahneschnittchen war, schluckte sie ihre Enttäuschung darüber hinunter, dass er ein unromantischer Klotz ist. Ganz tief hinunter. So weit hinunter, dass – Sie ahnen es – ihre Enttäuschung im Keller landete, bei dem ganzen anderen unbewussten Kram.
    Sie ließ sich auf die Vorstellungen ihres Mannes ein, möglicherweise erschienen sie ihr irgendwie sogar einleuchtend. So viele Menschen sind ihrem Partner schließlich untreu, das sagt schon die Statistik. Da ist es doch vielleicht wirklich vernünftiger, sich von vornherein auf diese Tatsache einzustellen, anstatt sich Illusionen hinzugeben und irgendwann kalt erwischt zu werden.
    Hauptsache, ich bin die Hauptfrau in seinem Leben, sagte sich die Patientin , der Rest wird sich schon finden. Man vereinbarte, ganz ehrlich miteinander zu sein und dem anderen auch zu sagen, wenn man gerade eine Affäre hat.
    Irgendwann kam diese Frau in Therapie, mit den Symptomen einer beginnenden Depression. Nach dezentem Stochern in den unterschiedlichen Lebensbereichen kam natürlich auch das Thema Beziehung auf den Tisch.
    Doch, da sei alles in Ordnung, meinte sie. Die Therapeutin fragte noch ein wenig nach, erfuhr von der Vereinbarung und dachte sich: Naja, wenn das für die beiden funktioniert, ist es ja
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