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Da gehen doch nur Bekloppte hin - aus dem Alltag einer Psychotherapeutin

Da gehen doch nur Bekloppte hin - aus dem Alltag einer Psychotherapeutin

Titel: Da gehen doch nur Bekloppte hin - aus dem Alltag einer Psychotherapeutin
Autoren: Heyne
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Bereichen unserer Psyche zu kommen, gibt es viele Möglichkeiten. Kunst ist eine davon. Jeder, der für sich selbst im stillen Kämmerlein malt, weiß, in welchem Maße seine Bilder eigene Stimmungen ausdrücken können und wie sie sich mit ihnen verändern. Für Menschen, die Gedichte oder Liedtexte schreiben, gilt das Gleiche.
    Manche Patienten lernen während eines Kuraufenthaltes in einer psychosomatischen Klinik Kunsttherapie kennen. In einer Gruppe mit anderen Patienten malt jeder mit Pinsel oder Fingerfarben auf ein großes Blatt Papier, was ihm gerade in den Sinn kommt. Meine Patienten brachten mir mitunter diese Bilder mit und waren erstaunt und beeindruckt davon, was Therapeut und Mitpatienten der Klinik, die man eben erst kennengelernt hatte, an Themen herauslesen konnten. Jedes Kind malt gern, doch so manchem wird irgendwann die Lust daran ausgetrieben, bis es schließlich selbst davon überzeugt ist, es könne gar nicht malen.
    In diesem Kapitel werde ich eine andere Möglichkeit beschreiben, sich dem unbewussten Teil zu nähern, der in jedem von uns existiert. Im Gegensatz zum Malen geht es um etwas, von dem nun wirklich keiner behaupten kann, er tue es nicht. Es geht ums Träumen.
    Sigmund Freud nannte die Beschäftigung mit Träumen den »Königsweg zum Unbewussten«, sozusagen die Rolltreppe, mit der man bequem und mühelos in die verborgenen Bereiche der Psyche gelangt. Ins Unbewusste.
    In der tiefenpsychologischen und psychoanalytischen Psychotherapie wird häufig mit den Träumen der Patienten gearbeitet. Traumarbeit ist eine wunderbare Möglichkeit, herauszufinden, wo man steht, was gerade wirklich in einem los ist. Und eine Möglichkeit, zu entdecken, was lange verschüttet war, was aber dringend gebraucht wird, um sich gesund und komplett zu fühlen.
    Wir machen diese Arbeit nicht mit allen Patienten. Bei manchen ergibt es sich nicht, andere behaupten, nie zu träumen, und bei einigen ist es einfach keine gute Idee. Das trifft auf Patienten zu, bei denen die Decke sowieso recht morsch ist, die das Kellergeschoss vom Rest des Hauses trennt, und die Schwierigkeiten haben, Fantasie und Realität auseinanderzuhalten. Diesen Menschen helfen wir eher dabei, den Boden unter ihren Füßen zu verstärken.
    Die meisten Menschen jedoch halten ihr Unbewusstes streng abgeschirmt. Sie ahnen nicht einmal, dass sie eins besitzen, und halten das, was nachts über ihre innere Leinwand flimmert, für kompletten Humbug. Mit diesen Patienten arbeite ich am liebsten. Es macht mir ungeheuren Spaß, ihnen zu zeigen, dass das, was in ihrem tiefsten Inneren existiert, weder unsinniges Zeug ist noch etwas Unheimliches, von dem man sich am besten fernhält. Sondern vielmehr ihr gesündester Kern.
    Mir tut es immer ein wenig weh, wenn Patienten sagen: Heute Nacht habe ich wieder einen Quatsch geträumt! Klar kann man mit den Nachrichten des Unbewussten so umgehen. Man kann auch Tag für Tag an den Briefkasten gehen und sämtliche Post ungeöffnet in den Müll werfen, ohne sie auch nur eines Blickes gewürdigt zu haben. Ebenso kann man alle Mails unbesehen löschen. Allerdings riskiert man dabei, dass neben allerlei Werbemüll und Spam auch eine Nachricht von lang verschollenen Freunden im Nirgendwo landet.
    Man muss sich nicht mit seinen Träumen beschäftigen. Die wenigsten Leute tun es. Aber es lohnt sich. Und das Schöne ist: Spam ist nie dabei.
    Träume haben eine eigene Sprache, deshalb sind sie scheinbar unverständlich. Das ist allerdings noch lange kein Grund, zu meinen, sie hätten keine Bedeutung. Wenn Sie einer Gruppe von Leuten begegnen, die sich in einer Ihnen unbekannten Sprache unterhalten, gehen Sie auch nicht davon aus, dass dort nur sinnlose Silben aneinandergereiht werden. Selbst wenn sich das für Ihre Ohren so anhört.
    Herr Freud war der Meinung, Träume seien deshalb in einer unverständlichen Sprache verschlüsselt, weil ein innerer Zensor dafür sorgt, dass wir sie nicht verstehen. Und zwar geschehe das, weil es sich um Dinge handele, die uns unangenehm oder peinlich seien. Er ging davon aus, dass es sich bei dem, was der Zensor so mühsam vor uns verbirgt, nur um eines handeln könne: um blanken, reinen, unverfälschten Sex.
    Zu seiner Zeit, als Sexualität tatsächlich noch weitestgehend tabuisiert war, hatten die Leute möglicherweise nachts wirklich nichts anderes zu tun, als von dem zu träumen, was sie sonst nicht tun durften. Heute glauben wir nicht mehr daran, dass alle Träume sich um Sex
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