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Cosa Mia

Cosa Mia

Titel: Cosa Mia
Autoren: Andrea Auner
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ich hatte es nicht
anders erwartet. Ich bitte dich nicht, mir zu verzeihen, ich täte es vermutlich
auch nicht an deiner Stelle. Ich bin ein mieser Mensch und wie du weißt ein
Verbrecher, auch wenn ich nicht mehr in jenen Kreisen verkehre.“ Er lächelte
schwach. „Früher sagtest du, du magst Verbrecher, weißt du noch?“ ich
schüttelte den Kopf und musste auch lächeln. Ach, was waren das für Zeiten
gewesen. Zeiten des Sonnenscheins, wie der ewige Sommer. Naiv, verliebt und
glücklich war ich damals. Und was bin ich jetzt, dachte ich, zynisch,
verbittert und unglücklich?
    „Kommst du mit etwas essen?“, fragte er mich mit einer Spur
von Vorsicht, aber es klang auch wie eine Bitte. Ich überlegte. Dann musste ich
mir eingestehen, dass ich nicht wollte, dass es so endete. Und ich wollte ihn
auch aus anderen gründen nicht gehen lassen, ich hatte sogar das Gefühl, dass
seine Anwesenheit mir gut tat, denn all das, was in mir verschüttet war und die
Bitterkeit konnten nun wie durch ein Ventil entweichen. Auch ein Stück
Heimatgefühl, ein Stück Wärme keimte in mir hoch. Okay, der alten Zeiten willen
wollte ich einwilligen.
    „Na gut, gehen wir was essen.“ Er lächelte.
    „Aber du musst, glaub ich zahlen, ich bin zum Ende des Monats
quasi immer pleite.“, lächelte ich zurück.
    „Wenn’s weiter nichts ist“, entgegnete er ruhig. „Ich wollte
dich sowieso einladen, ich weiß doch wie es bei euch jungen Leuten immer in der
Geldbörse aussieht.“
    Ich erhob mich langsam. Irgendwie fühlte ich mich auf einmal
wieder scheu und schüchtern ihm gegenüber wie in der Anfangszeit, als wir uns
gerade etwas näher gekommen waren.
    Sabatino führte mich mit sich durch das Gassengewirr,
sicheren Schrittes und ohne viel Eile. Es war seltsam mit ihm zu laufen, ich
musste mich ablenken.
    „Warst du schon einmal hier? Du scheinst ja genau zu wissen,
wohin du gehen willst. Bei mir hat es Wochen gedauert, oft hab ich mich
verlaufen.“ Er schaute mich grinsend von der Seite an.
    „Bin früher viel rumgekommen. Ich kenn ein gutes, gemütliches
Restaurant, was gleich hier in der Nähe sein müsste.“
    „Aha.“, gab ich knapp zurück. Hätte ich mir ja denken können.
    Plötzlich legte mir Sabatino den arm um die Schulter und sah
ernst zu mir herab. „Bin froh, dass ich dich gefunden habe, Paolo.“ Ich war
etwas geschockt von seiner Geste und der Berührung, jedes Haar stellte sich mir
auf. Dann nahm er den Arm wieder runter und streckte die Hand zurück in die
Tasche seines Halbmantels. Ich ließ mir meine Verwirrung nicht anmerken und ich
erwiderte auch nichts auf seine Worte.
    Bald saßen wir in einer stillen Ecke ganz hinten in einem
kleinen aber schmucken Restaurant und ich konnte mir vorstellen, dass Sabatino
aus Vorsicht so weit hinten und versteckt sitzen wollte, er fühlte sich sicher
verfolgt und war misstrauisch jedem gegenüber, der das Lokal betrat.
Wahrscheinlich war er sogar noch vorsichtiger als früher, denn wenn er keiner
Organisation mehr richtig angehörte, genoss er absolut keinen Schutz mehr von
irgendjemand. Das hieß auch, dass alle einen Grund hatten, ihn zu töten.
    Selbst Raffaele war dahin. Der, der ihm als engster
Vertrauter galt. Sabatinos Leben erschein mir mit einem mal so abwegig,
kompliziert und schwierig zu sein, dass ich fast heilfroh war, so stinknormal
zu leben und ohne, dass sich jemand groß um mich scherte außer meine Familie
und die Freunde. Alles ist besser also so zu leben wie er, dachte ich. Es ist
gut, dass ich ihm nie nachgeeifert war und auch dass er mich stets davon
abzuhalten versuchte. Was das betraf, hätte ich ihm dankbar sein müssen und
ebenso meiner ganzen Familie. Aber ich glaube, meine Eltern danken dem Herrn
sowieso jeden Tag, dass die Castellis aus Spoleto verschwunden sind und mich
weitestgehend in Frieden gelassen hatten. Dass ich dann einfach auch von
zuhause abgehauen bin, nun, das war wohl der Preis dafür.
    Der Kellner brachte die Karaffe mit Wein zu uns und schenkte
ein, Sabatino bedankte sich höflich.
    „Stoßen wir an?“
    „Warum nicht?“, antwortete ich und erhob ebenfalls mein Glas.
    „Ich danke dir, Paolo, dass du mich anhörst. Und es tut mir
leid für das, was dir zugestoßen ist.“, sagte er ernst und zog die Augenbrauen
hoch.
    „Auf Venedig.“, sagte ich dann ruhig und wir stießen an und
er fixierte mich eindringlich dabei, so als versuchte er, sich wieder in meine
Gefühls- und Gedankenwelt „einzuloggen“, wie er es
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