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Malory

Malory

Titel: Malory
Autoren: 05. Zaertliche Suenderin
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    So schlimm war dieses Haus gar nicht, in dem sie versteigert werden sollte. Zumindest war es sauber. Und es wirkte recht elegant. Der Salon, in den man sie zuerst geführt hatte, wäre auch im Haus eines der Freunde ihrer Familie am Platz gewesen. Es war ein teures Haus in einer der besseren Gegenden Londons. Man bezeichnete es höflich als Haus des Eros. Aber es war ein Ort der Sünde.
    Kelsey Langton konnte immer noch nicht fassen, daß sie hier war. Seitdem sie das Haus betreten hatte, war ihr schlecht gewesen vor Angst und Entsetzen. Sie war jedoch freiwillig hierhergekommen. Niemand hatte sie schreiend und um sich tretend hereingeschleppt.
    Das war das Unglaubliche daran: Man hatte sie nicht gezwungen, hierherzukommen, sondern sie hatte eingewilligt – zumindest hatte sie eingesehen, daß es die einzige Möglichkeit war. Ihre Familie brauchte Geld –
    viel Geld –, damit sie nicht auf der Straße saß.
    Wenn sie nur mehr Zeit gehabt hätte. Selbst eine Ehe mit jemandem, den sie nicht kannte, wäre vorzuziehen gewesen. Aber ihr Onkel Elliott hatte wahrscheinlich recht. Er hatte sie darauf hingewiesen, daß kein Gentleman mit dem nötigen Vermögen eine Heirat innerhalb weniger Tage in Betracht ziehen würde, auch nicht, wenn er eine Sondererlaubnis bekäme. Eine Ehe war einfach zu dauerhaft, um sich ohne sorgfältige Überlegung hineinzustürzen.
    Aber dies hier ... nun ja, Gentlemen leisteten sich häufig neue Mätressen aus einer Laune heraus, wobei sie durchaus wußten, daß diese Mätressen sie genauso teuer zu stehen kamen wie eine Ehefrau, wenn nicht sogar teurer. Der große Unterschied dabei bestand darin, daß man eine Mätresse genauso leicht wieder loswurde, wie man mit ihr handelseinig geworden war, ohne die langwierigen Formalitäten und den daraus folgenden Skandal.
    Sie würde die Mätresse eines Mannes werden. Nicht seine Ehefrau. Allerdings kannte Kelsey auch gar keine Herren,
    die
    sie
    hätte
    heiraten
    können,
    zumindest
    kannte sie niemanden, der es sich hätte leisten können, Onkel Elliotts Schulden zu begleichen. In Kettering, wo sie vor der Tragödie aufgewachsen war, hatten ihr einige junge Männer den Hof gemacht, aber der einzige Vermögende hatte eine entfernte Cousine geheiratet.
    Alles war so überraschend gekommen. Letzte Nacht war sie, wie jede Nacht bevor sie zu Bett ging, in die Küche gegangen, um sich etwas Milch warm zu machen, damit sie einschlafen konnte. Sie litt unter Schlaf-losigkeit, seit sie und ihre Schwester Jean in das Haus ihrer Tante Elizabeth gezogen waren.
    Ihre Schlafprobleme hatten nichts mit dem Leben in einem neuen Haus und einer neuen Stadt, und auch nichts mit Tante Elizabeth zu tun. Ihre Tante war eine liebe Frau, die einzige Schwester ihrer Mutter, und sie liebte ihre beiden Nichten, als seien es ihre eigenen Töchter. Sie hatte beide mit offenen Armen aufgenommen und ihnen all die Zuneigung geschenkt, die sie nach der Tragödie so sehr gebraucht hatten. Nein, es waren Alpträume, die Kelseys Schlaf störten, die lebhaften Er-innerungen und der immer wiederkehrende Gedanke, daß sie die Tragödie hätte verhindern können.
    Tante Elizabeth hatte die warme Milch vor Monaten vorgeschlagen, als ihr endlich die dunklen Schatten unter Kelseys grauen Augen aufgefallen waren und sie ihre Nichte vorsichtig nach dem Grund gefragt hatte.
    Und die Milch half auch – in den meisten Nächten. Es war ein nächtliches Ritual geworden, und normalerweise störte sie niemanden, da die Küche um diese Uhr-zeit immer leer war. Bis auf letzte Nacht ...
    Letzte Nacht war Onkel Elliott dagewesen. Er saß an einem der Tische und hatte keine späte Mahlzeit vor sich
    stehen,
    sondern
    eine
    ziemlich
    große
    Flasche
    Schnaps. Kelsey hatte ihn noch nie mehr trinken sehen als das eine Glas Wein, das Tante Elizabeth zum Abendessen gestattete.
    Elizabeth war dem Trinken abgeneigt und hatte natürlich keinen Schnaps im Haus. Aber wo auch immer Onkel Elliott diese Flasche herhaben mochte, er hatte sie auf jeden Fall schon halb geleert. Und sie hatte eine er-schreckende Wirkung auf ihn. Er weinte. Er schluchzte leise vor sich hin, den Kopf in die Hände gestützt, während die Tränen auf den Tisch tropften, und seine Schultern bebten mitleidserregend. Kelseys erster Gedanke war gewesen, daß sie verstand, warum Elizabeth keine starken Getränke im Haus haben wollte ..
    Sie mußte jedoch feststellen, daß nicht das Trinken Elliott so fertigmachte. Nein, er hatte sich mit dem
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