Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Corvidæ / Haus der Jugend [Twindie: Zwei Romane – ein Preis] (German Edition)

Corvidæ / Haus der Jugend [Twindie: Zwei Romane – ein Preis] (German Edition)

Titel: Corvidæ / Haus der Jugend [Twindie: Zwei Romane – ein Preis] (German Edition)
Autoren: Simone Keil , Florian Tietgen
Vom Netzwerk:
stolpern“, sagte sie. 
    „Also gut, dann nehmen wir das freundliche Angebot an!“
    Chloé strahlte. „Dann lasst euch mal euer Zimmer zeigen.“
    Sie nahm einen Lüster von der Theke und führte uns die ausgetretenen Stufen hinauf, nachdem wir unsere Sachen aus dem Nebenzimmer geholt hatten. Die oberen Tritte knarzten, als brächen sie gleich zusammen. Ich machte einen Satz über die letzte Stufe und stolperte. Chloé fing mich auf. „Keine Angst“, sagte sie. „Das Haus ist alt, es hat viel zu erzählen, aber es hält noch zusammen.“
    Die Wirtin öffnete die erste Tür, gleich hinter der Balustrade. 
    Lizzie kramte ihr Feuerzeug aus dem Rucksack und entzündete die Kerzen auf dem Nachttisch. Das Zimmer war klein, aber sauber. Es befanden sich ein großes Doppelbett und ein einziger Stuhl im Raum, auf dem eine Schüssel stand, drunter ein Krug mit Wasser.
    Lizzie beäugte die spartanische Einrichtung.
    „Das Zimmer ist toll“, sagte ich. „Danke, dass du uns hier übernachten lässt.“
    Chloé winkte ab. „Ihr seid sicher Vornehmeres gewohnt, aber die Betten sind weich und es ist warm und trocken.“
    Lizzie setzte sich aufs Bett und testete die Matratze. „Prima“, meinte sie. „Eigentlich zu schade, um es nur mit der eigenen Schwester zu teilen.“
    Chloé lachte und ich warf den Rucksack nach Lizzie, der sie nur knapp verfehlte. Sie streckte mir die Zunge heraus.
    „Du bekommst deine Schwester bald zurück, ich muss noch ihre Wunde säubern. Das hätte ich fast vergessen.“
    Chloé nahm meine Hand, bevor ich protestieren konnte, und zog mich hinter sich her. Wir gingen zurück in die Küche und sie drückte mich auf einen Stuhl neben der Feuerstelle, in der ein Rest Glut glomm wie Sternenstaub. Darüber hing ein verbeulter Kupferkessel. Chloé kramte in einer Truhe und mischte dann verschiedene Substanzen zusammen, die sie mit einem Mörser zerrieb.
    Ich sah mich um. Ein Vorratsschrank, ein Regal mit verbeulten Dosen. Ein Sack Kartoffeln. Die Einrichtung war armselig und abgewohnt.
    „Du musst deinen Arm frei machen“, sagte die Wirtin, als sie mit der Schüssel zurückkam, in der sich eine glibberige, braune Masse befand.
    Ich schnürte das Mieder auf, zog das Kleid hinunter und hielt es vor meinen Brüsten zusammen. Die Stelle auf meinem Oberarm hatte sich verfärbt und schimmerte in satten Grün- und Blautönen, sah aber nicht gefährlich aus.
    Die Masse roch scharf und erdig, aber Chloés Hände waren sanft. Sie hatte sich über mich gebeugt. Ihre Haut roch nach frischen Kräutern.
    „Wovor hast du Angst?“, fragte Chloé unvermittelt.
    „Ich habe doch keine … Na ja, es ist nicht leicht, im Schatten einer Schwester aufzuwachsen, die so besonders ist … und dabei so weit weg.“ Ich schüttelte den Kopf. Was machte ich denn nur? Ich erzählte einer völlig Fremden Dinge, die ich noch niemandem gesagt hatte. Was war denn nur los mit mir?
    „Du musst dich nicht hinter deiner Schwester verstecken“, sagte Chloé und ihre Augen nahmen die Farbe von Buchsbäumen an. Sie hatte die Schüssel auf den Boden gestellt und die Finger an der Schürze abgewischt. Ihre Hände lagen ganz ruhig auf meinen Knien. Ich wollte aufspringen, zurück in mein Zimmer, aber Chloés Blicke hielten mich fest. Ich konnte nur immerzu in dieses tiefe Grün sehen, das mir so vertraut erschien, wie ein Herbsttag auf meiner Terrasse.
    „Hast du dich schon einmal angesehen?“, fragte sie. „Richtig angesehen?“
    Sie sprang auf und öffnete eine Tür neben dem Schrank. Es knarzte und ein schwerer Gegenstand wurde über den Holzboden geschoben. Chloé war so spontan und geradlinig, wie ich selbst gerne gewesen wäre. Sie schob einen mannshohen Spiegel ins Zimmer und lehnte ihn neben die Feuerstelle an die Wand, dann fachte sie die Glut an und bald flackerte dort ein frisches Feuer.
    „Komm her“, sagte sie. Und ohne zu zögern ging ich zu der Frau, die ich doch gar nicht kannte und die mir so vertraut erschien. Sie bugsierte mich vor den Spiegel und löste meine Finger vom Stoff des Kleides. Es rutschte über meine Brüste und glitt langsam zu Boden.
    Meine Haut schimmerte wie Seide im Feuerschein. Der Widerschein der Flammen strich über meinen Körper, als wären es Hände. Eine Hitzewelle durchströmte mich. Mein Herz schlug schneller.
    Chloé stand hinter mir und hielt meine Handgelenke fest. Ihr Atem streifte meine Wange. „Siehst du“, flüsterte sie.
    Ich spürte wie mir die Röte ins Gesicht schoss
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher