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Corvidæ / Haus der Jugend [Twindie: Zwei Romane – ein Preis] (German Edition)

Corvidæ / Haus der Jugend [Twindie: Zwei Romane – ein Preis] (German Edition)

Titel: Corvidæ / Haus der Jugend [Twindie: Zwei Romane – ein Preis] (German Edition)
Autoren: Simone Keil , Florian Tietgen
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Augen waren grün, wie meine, aber etwas dunkler. Es war ein schönes Gefühl, umsorgt zu werden. Fast wie früher, als Lizzie und ich noch Kinder gewesen waren.
    „Das war lecker“, sagte Lizzie und setzte den Bierkrug an die Lippen. Sie trank in großen Schlucken und wischte sich mit der Hand den Mund ab. Lizzie hatte schon immer ein erstaunliches Talent gehabt, sich an Gegebenheiten anzupassen. Sie nahm alles, wie es war und machte das Beste daraus. Mehr noch, sie schien sogar Spaß daran zu haben.
    „Eh Rokan, spiel uns doch etwas Musik!“
    „Wie könnte ich dir etwas abschlagen, Chloé.“
    Die Stimme klang wie Waldrauschen. Ein dunkler Bariton. Ich drehte mich um und sah in diese ungewöhnlichen, farblosen Augen. Der Mann - Rokan - lächelte. Seine Gesichtszüge waren ebenmäßig, die Haut glatt und weich. Da war kein Makel, nicht das kleinste Pickelchen, nicht einmal Bartstoppeln waren zu sehen. Lizzie hatte recht, dieser Mann war etwas Besonderes. Er hüpfte von seinem Stuhl und deutete eine Verbeugung an.
    Ich sah zu Lizzie, deren Unterkiefer gerade nach unten klappte, als hätte er sich aus der Verankerung gelöst.
    Rokan hatte unsere Blicke bemerkt. Er straffte seine Schultern, als wollte er sich größer machen.
    „Oui, Mesdames, das bin ich. Gestatten: Rokan Le Petit. Wenn ihr euch sattgesehen habt, dann dürft ihr auch gerne zugreifen.“ Er legte den einen Arm auf den Rücken, den anderen vor den Bauch und machte jetzt eine tiefe Verbeugung. „Rokan hat Großes zu bieten!“
    Die anderen Männer lachten und ich schämte mich. Ich hätte mich gerne für meine dummen Blicke entschuldigt, aber mir fehlten die Worte.
    Lizzie griff sich ihren Bierkrug. „Hast du das gesehen?“, flüsterte sie.
    „Natürlich, ich bin ja nicht blind. Jetzt starr ihn doch nicht so an“, zischte ich zurück.
    „Heilige Scheiße! Das ist mir gar nicht aufgefallen.“
    „Er muss auf einem Kissen gesessen haben.“ Ich knuffte Lizzie in die Seite und sie trank einen Schluck Bier.
    Rokan wackelte auf seinen kurzen Beinen in den hinteren Teil des Raumes und kam mit einer Flöte zurück, die in seinen Händen riesig erschien. Er lächelte mir zu. Ein offenes Lächeln, das gar nicht gekränkt oder zynisch erschien. Er setzte die Flöte an die Lippen und begann zu spielen. Eine traurige Melodie. Vielleicht war es auch nur die Art, wie er spielte, die mir so nahe ging. Mit geschlossenen Augen, ganz in der Musik gefangen. Ich bekam eine Gänsehaut, die sich von meinem Nacken aus ihren Weg über die Arme suchte. Als der letzte Ton verklungen war, blieb Rokan noch einen Moment regungslos stehen, als befände er sich an einem anderen Ort. Dann nickte er uns zu.
    „Bonne nuit, Mesdames. Es wird Zeit, dass die Kinder zu Bett gehen.“
    Ich hätte mich gerne für die Musik bedankt, aber die anderen Männer lachten wieder, und ich nickte nur zurück.
    Einer der Männer war aufgestanden und klopfte Rokan auf die Schulter. Sein helles Haar war zerzaust, seine Haut sonnengebräunt. Er sah uns unter zusammengekniffenen Augenbrauen an.
    „Die feinen Damen werden schon noch von ihren hohen Rössern fallen, Rokan“, murmelte er, aber seine Stimme trug mühelos über das Gelächter der anderen. „Princesses!“, fügte er hinzu und tat, als spucke er auf den Boden.
    Ich senkte den Blick. Lizzie verschränkte die Arme vor der Brust und straffte den Rücken. „Bauer!“, zischte sie.
    „Lass die Mädchen in Frieden, Cavalier, und setzt dich auf deinen Hintern“, rief Chloé. „Aber Rokan hat recht. Es wird Zeit, also trinkt aus. Es ist genug für heute.“
    Rokan warf seinen Mantel über den Arm und trat aus der Tür in den Regen hinaus. Eine Windböe erfasste mein Kleid und ich fröstelte.
    Die Männer packten ihre Karten zusammen und verabschiedeten sich. Lizzie und ich sprangen von den Hockern und standen unschlüssig vor dem Tresen. Das Gewitter war vorüber, aber es regnete immer noch in Strömen. Und die Nacht war hereingebrochen.
    „Tja, wir sollten dann wohl auch langsam …“
    „Non, meine Hübschen. Ihr könnt unmöglich da raus, in der Dunkelheit. Das Moor ist wie eine lebende Falle, es würde euch verschlingen und nicht einmal die Knochen ausspucken“, fiel mir Chloé ins Wort. „Ich habe Zimmer zu vermieten, auch wenn sie meist leer stehen und eins davon ist immer vorbereitet. Ich würde mich freuen, mal wieder Gäste zu haben.“
    Ich sah Lizzie an.
    „Ich habe keine große Lust, durch die Dunkelheit zu
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