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Corvidæ / Haus der Jugend [Twindie: Zwei Romane – ein Preis] (German Edition)

Corvidæ / Haus der Jugend [Twindie: Zwei Romane – ein Preis] (German Edition)

Titel: Corvidæ / Haus der Jugend [Twindie: Zwei Romane – ein Preis] (German Edition)
Autoren: Simone Keil , Florian Tietgen
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Flugzeugabsturz, ließ mich zusammenzucken. Die Frau rührte sich immer noch nicht, sie schien ganz in sich selbst gefangen zu sein. Sie hätte wohl nicht einmal bemerkt, wenn die Welt um sie herum untergegangen wäre. Wieder ein Donner, der mein Trommelfell vibrieren ließ. Einige Meter neben mir krachte ein Ast zu Boden. Lizzie zerrte mich vom Fenster weg.
    „Da drüben brennt auch Licht!“, rief sie und wir rannten über einen Platz, an einem Brunnen vorbei, zu einem größeren Fachwerkhaus. „Das ist eine Gastwirtschaft.“ Sie deutete auf das Schild über dem Eingang, das klackernd an die Hauswand schlug.
    Lizzie öffnete die Tür, aber ich konnte den Blick nicht von dem Schild lösen. Mein Magen zog sich zusammen. Das war ein Hase, das Bild eines weißen Hasen, das dort, dem Wind ausgeliefert, immer wieder an die Wand krachte. Das Tier saß auf seinen Hinterläufen, aber dort, wo seine Augen sein sollten, befanden sich nur dunkle, leere Höhlen.
    Ein wirbelnder Ast schlug mir an den Oberarm. Der Wind zerrte an meinem Rucksack und ich konnte mich kaum noch auf den Füßen halten. Über meinem Kopf polterte es und einige Tonziegel verfehlten mich nur um Zentimeter. Ich schob Lizzie ins Haus und schloss die Tür hinter uns.
    Mein Oberarm schmerzte, meine Jacke war zerrissen und aus meiner Hose und den Schuhen triefte das Wasser auf den Boden. Lizzie schüttelte ihre Haare und rieb sich über das Gesicht. Ihr Make-up war verschmiert, schwarze Streifen zogen sich über ihre Wangen.
    „Hast du so was schon mal erlebt?“, fragte sie. „Das war ja der Hammer!“
    Ich schüttelte den Kopf und starrte in die Gaststube. Lizzie folgte meinem Blick.
    Vier Männer saßen um einen runden Holztisch, dem man ansah, dass er schon viel miterlebt hatte. Sie starrten uns nur an. In ihren Händen hielten sie Spielkarten, die sie langsam senkten. Sie trugen allesamt grobe Leinenhemden, die am Hals geschnürt waren. Ein grauhaariger Mann nahm seine Pfeife aus dem Mundwinkel und legte sie in einen Aschenbecher. Die Falten auf seiner Stirn gruben sich in seine Haut wie Ackerfurchen. Das alles passierte so langsam, so bedächtig, dass es irreal erschien. Ich hörte mich schlucken.
    Niemand sagte ein Wort, selbst Lizzie schien es die Sprache verschlagen zu haben. Ich spürte ihre Hand an meiner und umfasste ihre kalten Finger.
    „Merde!“, rief eine Frauenstimme. Kurz darauf polterte ein schwerer Gegenstand zu Boden.
    Eine Schwingtür am Ende des Raumes schlug auf und die Frau rollte ein Holzfass in den Schankraum. Sie trug ein altmodisches Kleid, dessen Mieder ihre mächtigen Brüste fast aus dem Dekolleté drängte. Die Ärmel hatte sie bis zu den Ellbogen hochgerollt. Sie schnaufte wie ein Walross und stieß weitere Flüche zwischen den Zähnen hervor. Mit einem finalen Keuchen hievte sie das Fass hinter die Theke und drückte ihren Rücken durch. Sie sah die Männer an, die immer noch reglos da saßen.
    „Alors, les gars, qu'est-ce qui se passe?“ Sie nahm einen Steinkrug vom Tresen und nahm einen tiefen Zug. „Was ist, habt ihr ein Gespenst gesehen?“ Sie lachte ein erstaunlich helles Lachen, das so gar nicht zu ihrer kräftigen Statur und den zerzausten roten Haaren passen wollte. Ihr Blick schweifte durch den Raum und blieb an uns kleben. Langsam senkte sie den Krug und stellte ihn behutsam ab. An ihrer Oberlippe haftete ein Schaumbart. Ein erneutes Donnern ließ sie zusammenfahren, und als hätte er diesen Anstoß gebraucht, setzte sich ihr Körper in Bewegung.
    Im Vorbeigehen schlug sie einem der Männer auf den Hinterkopf. „Idiot!“, zischte sie. „Warum lasst ihr die Damen in der Tür stehen?“
    Die Hände in die Hüften gestemmt, baute sie sich vor uns auf. Sie musterte uns von oben bis unten und ein Lächeln machte sich auf ihrem Gesicht breit.
    „Entschuldigt“, sagte sie. „Diese Bauerntrampel sind es nicht gewohnt, hübsche junge Damen zu Gesicht zu bekommen.“
    Ich atmete tief durch und streckte ihr die Hand entgegen. „Mein Name ist Catrin und das ist meine Schwester Lizzie, Madame.“
    Die Frau warf den Kopf in den Nacken und lachte, bis ihr die Tränen in die Augen schossen.
    „Madame hat mich noch niemand genannt.“ Sie wischte sich mit dem Ärmel übers Gesicht und schüttelte meine Hand. „Ich bin Chloé, die Wirtin dieses feinen Etablissements.“
    Chloé hatte eine gute Portion Humor, das gefiel mir. 
    „Kommt erst einmal rein, Mädchen. Ihr holt euch ja den Tod, in den nassen
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