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Coruum Vol. 3

Coruum Vol. 3

Titel: Coruum Vol. 3
Autoren: Michael R. Baier
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Gammastrahlenwelle rund eine Million in diesem sicheren Bereich, eine weitere Million hatte sich aus den angrenzenden Stadtgebieten hierher geflüchtet.
    Alles andere im Land war sich selbst überlassen – oder der Kontrolle selbsternannter, regionaler Gobernadoren.
    Die Soldatin schwieg den größten Teil der Fahrt, spähte misstrauisch in dunkle Fensteröffnungen, hielt den Wagen in der Straßenmitte, umkurvte Berge von Müll und Unrat und fuhr im Zweifel lieber zu schnell als zu langsam. Außer zwei Militärjeeps, in noch schlimmerem Zustand als ihr eigener, begegneten ihnen auf der ganzen Strecke keine fahrenden Autos, vereinzelt trafen sie auf Kinder, die äußerlich unbekümmert auf der Straße spielten.
    Immerhin , tröstete sie sich selbst, sie können spielen.
    Kurz vor ihrem Ziel durchbrach die Soldatin endlich das deprimierende Schweigen. »Es sind nur zweieinhalb Monate vergangen, Señora – aber dieses Land zerbricht. Ohne Strom und sauberes Wasser wird diese Stadt so zerfallen wie einst Kaminaljuyú. [4] «
    Sie erreichten den Palacio de la Policía Nacional neben den zwei Türmen der Catedral Metropolitana in Zona 1, rollten auf einen befestigten Hof. Hier endete ihre Fahrt.
    »Leben Sie wohl, Señora, und seien Sie achtsam«, sagte die Soldatin zum Abschied. Aus einer kleinen Kiste im Kofferraum nahm sie eine Pistole und zwei Ersatzmagazine. »Zu Ihrer Sicherheit, bitte!«
    Sinistra schüttelte den Kopf. Schob die Hand gefühlvoll zurück. »Ich bin vorsichtig, vielen Dank.« Dann schulterte sie ihren Rucksack, nickte ihr zuversichtlich lächelnd zu, passierte melancholisch dreinschauende Wachposten auf dem Weg aus dem Gebäudekomplex, orientierte sich nach Nordwesten und ging an Barrieren nutzloser Autos und Sandsäcken vorbei, welche das sichere Viertel begrenzten.
     
    *
     
    Ihr Weg führte sie durch in der fahlen Nachmittagssonne liegende Avenidas. Der Schild der Boe filterte weiterhin das Licht, so dass alles einen Stich ins Rotviolette besaß. Sie fing viele neugierige Blicke von ärmlich gekleideten Passanten auf. Guatemala war nie zu Wohlstand gelangt, solange sie zurückdenken konnte, hatten drei Viertel der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze gelebt. Jetzt hatte sich zusätzlich ein faulig-süßlicher Geruch von Verdorbenem und Müll über die Stadt gelegt.
    Geschäfte waren geöffnet – aber es gab nicht mehr viel zu kaufen. Das Gemüse der kleinen Hintergärten, welches auf improvisierten Ständen vor einzelnen Häusern zum Verkauf auslag, war dürr und astronomisch teuer. Mit jedem Schritt wuchs ihre Angst um das Wohlbefinden ihrer Familie. Um ihre eigene Sicherheit verschwendete sie keinen Gedanken. Hud Pasuun hatte ihren Rucksack gepackt und ihr jeden Gegenstand erklärt. Am wichtigsten sei das Meridonkonzentrat. Sie müsse es jeden Tag nehmen – egal wie schmutzig das Wasser sei, das sie zum Verdünnen benutzte, ihr Makrobot-System würde damit klarkommen. Die Vorräte an Nahrungskonzentrat würden ein Jahr reichen, ihre Bekleidung, ihre Stiefel waren selbstreinigend, aus Nanomaterial der Organisation – und: Für Notfälle besaß sie ihr Visier und den Schildring.
    Es waren nicht viele Passanten in ihrer Richtung unterwegs. Die Älteren musterten sie misstrauisch, ihre moderne, saubere Kleidung und ihre akkurate Frisur, die Jüngeren folgten ihr eine Zeitlang, machten einschüchternde Gesten und blieben zurück, als sie keine Reaktion provozieren und nicht mit ihren Tempo schritthalten konnten.
    Sie kam an geplünderten Einkaufszentren vorbei, an endlosen Reihen defekter Autos und Camionetas mit geöffneten Türen, zerschlagenen Fenstern und aufgeschlitzten Polstern.
    Nach drei Stunden erreichte sie endlich die Viertel ihrer Kindheit. Alte, ehemals stolze, spanische Kolonialhäuser gingen in kleinere Landhäuser und Villen über. Auch hier war der Verfall unübersehbar, Müll türmte sich in den Straßen, viele Türen waren aufgebrochen und anschließend wieder grob verbarrikadiert worden. Vor einzelnen Häusern sah sie rudimentäre Befestigungsanlagen, Sandwälle und lose aufgeschichtete Steinmauern. Erschüttert blieb sie stehen, als einige frische Grabhügel in ehemals gepflegten Vorgärten auftauchten. Viele Leute aus dieser Gegend hatte sie einmal persönlich gekannt.
    »Wie geht es dir, Kleines? Brauchst du Hilfe?«
    Überrascht blieb sie stehen, blickte in das besorgte Gesicht der Wissenschaftlerin auf ihrem Visier.
    »Nein, danke, Hud. Es ist nur alles kaputt, die
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