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Coruum Vol. 3

Coruum Vol. 3

Titel: Coruum Vol. 3
Autoren: Michael R. Baier
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Menschen haben nichts zu essen und keinen Strom. Ich bin noch auf dem Weg zu meiner Familie. Ich werde sie hoffentlich in einer halben Stunde erreicht haben.«
    »Bitte melde dich dann, Kleines. Ich mache mir Sorgen!«
    Sinistra lächelte. Das klang aufrichtig.
    »Mache ich, vielen Dank, Hud.«
    Die Wissenschaftlerin der Pretaia hatte sie nach dem Tod von Syncc Marwiin aufgefangen. Ohne Hud Pasuun wäre sie in der neuen Welt der Organisation verloren gewesen. Auch Karen konnte ihr nur begrenzt helfen, sie hatte mit den Nebenwirkungen der Erkrankung Donavons ausreichend zu tun gehabt. Mit dem Tod des alten Mannes war auch die emotionale Sicherheitszone geschwunden, welche dieser in der letzten Zeit stets mit Ruhe und Weitsicht für sie aufgebaut hatte und die allein der Grund dafür gewesen war, dass die Vielzahl an neuen Erfahrungen und Eindrücken verkraftbar geblieben waren.
    Sie atmete tief durch und kontrollierte ihren Herzschlag, indem sie sich innerlich vorstellte, wie der Makrobot-Strom in ihrem Blut ruhig durch die Herzkammern floss, ein warmes und gesundes Gefühl hinterlassend. Das Bio-Feedback funktionierte nach Tagen intensivierten Trainings mit Hud Pasuun an Bord der Boe bereits sehr gut.
    Sie konzentrierte sich wieder auf ihren Weg, der sich zusehends in die Länge zog. Das Licht der untergehenden Sonne schwand mehr und mehr, sie musste zum Teil große Umwege um ineinander verkeilte Autos und noch mehr Autos und Lastwagen machen – alles Opfer des technischen Genozids vom 4. Oktober. Vorsichtig umrundete sie gerade einen auf der Seite liegenden Kleinbus mit aufgebrochenen Türen, als peitschende Geräusche aus der Entfernung an ihre Ohren drangen.
    Sinistra erstarrte, verschmolz mit den Umrissen des Busses. Waren das Schüsse gewesen? Die Dämmerung war fortgeschritten, mit einer hastigen Bewegung aktivierte sie ihr Visier, ging langsam weiter, von nun an intuitiv jedes Auto als Deckung nutzend. In zweihundertfünfzig Metern Entfernung lag jemand auf der Straße. Das Visier zoomte heran, der Körper strahlte Wärme aus.
    Sinistra beeilte sich, zu ihm zu kommen. Ihr Visier zeigte ihr Bewegungen in den Fenstern der Häuser, welche sie nun nur noch in größeren Abständen passierte. Sie erreichte den Mann – er war tot. Sie presste die Zähne aufeinander. Don Moreno war alt geworden, seine einst schwarzen Haare hatten graue Strähnen bekommen und waren verklebt. Er war zu ihrer Kindheit oft mit ihrem Papa zur Jagd gewesen, ein entfernter Verwandter.
    Sie sah sich um, nutzte alle Techniken des Visiers. Niemand befand sich in der unmittelbaren Umgebung. Sinistra richtete sich langsam wieder auf, blickte nach vorn, die Straße entlang, bis diese in den weichen Hügeln der alten Erosionsfelder des Fuego verschwand. Ja, da war es endlich, am Anfang der Allee. In der Tageslichtdarstellung des Visiers konnte sie die beiden schön geschnitzten Flügel des geöffneten Eingangstors in der umlaufenden Ziegelmauer deutlich erkennen. Auch die Spuren eines gewaltsamen Aufbrechens und die notdürftige Reparatur.
    Sie holte Luft, setzte sich in Bewegung und lief den letzten halben Kilometer, permanent gegen das Gefühl der unterschwelligen Angst und unheilvollen Erwartungen ankämpfend. Nach einer knappen Minute erreichte sie das Tor, schritt vorsichtig hindurch, betrat den Innenhof und blieb wie angewurzelt stehen.
    Die Rasenfläche war einem Gemüsebeet gewichen – zum Teil. In einer Ecke befanden sich drei Grabhügel, spärlich mit Blumen verziert, die bereits zu welken begannen, und mit hastig geschnitzten Holzkreuzen versehen waren. Sie fühlte, wie eine eiserne Klammer ihr Herz zu umgreifen begann, spürte den stützenden Eingriff ihres Makrobot-Systems, registrierte unterbewusst das Brennen der erhöhten Makrobot-Aktivität in ihren Adern, das Verfliegen jeglicher Müdigkeit die in diesem Moment durch die erhöhte Sauerstoffversorgung ihres Gehirns unerträgliche Schärfung des Bewusstseins. Schritt für Schritt zwang sie sich, näher heranzugehen, deaktivierte das Visier, beugte sich in der hereinbrechenden Dunkelheit über das erste Kreuz und las den Namen ihres Vaters.
    Leise weinend kniete sie nieder, strich mit der Hand über die trockne Erde des Grabes, legte ihre Stirn auf die Blumen, verweilte minutenlang in Erinnerungen – sie war zu spät gekommen. Zitternd erhob sie sich, quälte sich zum zweiten Erdhügel, las den Namen ihres Onkels, machte die letzten beiden Schritte und erkannte den Namen ihrer
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