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Coolman und ich. Ganz großes Kino (German Edition)

Coolman und ich. Ganz großes Kino (German Edition)

Titel: Coolman und ich. Ganz großes Kino (German Edition)
Autoren: Rüdiger Bertram
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Klamotten wieder rausgesucht. Die Ärmste!«
    »Jetzt aber los! Sonst müssen wir noch ohne euch anfangen!«, ruft der Festivaldirektor ungeduldig dazwischen und schiebt uns alle Richtung Kino. Das ist nicht ganz einfach, weil Alex, Justin, Oberchecker Ali und Oberchecker Mehmet immer noch vor den Kameras posen und den paar Autogrammjägern, die sich vor dem Kino versammelt haben, ihre Namen auf Jacken und Mützen schreiben.
    Ganz gleich, ob die das wollen oder nicht.
    Endlich stehen wir alle im Kinosaal. Es ist das schönste Kino, das ich jemals gesehen habe. Es sieht fast so aus wie ein richtiges Theater und es ist sogar beinahe ausverkauft. Ich kriege ein bisschen Lampenfieber, weil ich nachher mit Lena auf die Bühne soll.

    Da geht auch schon das Licht aus und der Vorhang auf. Kurz darauf startet der Film.
    Das Beste, was ich über Jonny Ponys Kurzfilm
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sagen kann, ist, dass er kurz ist. Ich habe nicht einmal die Hälfte von dem verstanden, was ich gesehen habe, weil Jonny Pony alle Bilder ganz schnell und wild zusammengeschnitten hat. Das soll wahrscheinlich modern aussehen, aber ich bekomme davon Kopfschmerzen.
    Dem Rest der Zuschauer scheint es ähnlich zu gehen. Der Beifall ist ziemlich mager.
    Der Festivaldirektor holt zuerst Jonny Pony auf die Bühne vor der Leinwand, und wenn mich nicht alles täuscht, sind auch ein paar Buhrufe zu hören. Jonny Pony tut so, als ob er sie nicht gehört hätte, und erzählt eine gefühlte halbe Stunde, wie wichtig der Film für ihn sei und dass er von Anfang an immer einen Kurzfilm mit einer wichtigen künstlerischen und politischen Botschaft geplant habe.
    Der alte Heuchler. Danach bittet er endlich Lena auf die Bühne. Sie erhält höflichen Applaus und einen Blumenstrauß. Den kriegt jeder, der da nach oben geht.
    Dann bin ich dran.
    Alex, Justin, Oberchecker Ali und Oberchecker Mehmet springen von ihren Sitzen und klatschen wie wild. Dabei brüllen sie so laut Bravo, dass es mir schon fast ein bisschen peinlich ist. Irgendwie schaffen sie es, mit ihrer Begeisterung auch die anderen Kinobesucher anzustecken. Alle außer Anti und Lenas Vater. Der sieht sich nervös nach seinem Handy um, weil er Angst hat, dass der unrasierte alte Mann damit abgehauen ist. Der Rest des Kinos aber tobt, schreit, jubelt, und ich muss mich wieder und wieder verbeugen. Auch Opa hat es endlich in den Saal geschafft und applaudiert stürmisch.
    Es ist echt voll das Phänomen, wie Justin sagen würde.
    Aus den Augenwinkeln kann ich erkennen, dass Jonny Pony und vor allem Lena dieses Phänomen nicht so toll finden. Lena sieht ganz schön beleidigt aus, weil sie nicht so viel Beifall hatte, und ich befürchte, dass es auf der Achterbahn unserer Beziehung nach einem sehr kurzen Hoch wieder ziemlich steil und anhaltend bergab geht.

    Das nehme ich in Kauf, denn es ist ein richtig gutes Gefühl, auf der Bühne bejubelt zu werden. Ich könnte ewig hier stehen, doch der Festivaldirektor drängt schon wieder zum Aufbruch, weil gleich schon der nächste Kurzfilm gezeigt werden soll.
    Das Allerallerbeste ist, dass ich diesmal am Ende der Geschichte nicht der Depp bin, sondern richtig gut dastehe. Das ist eine ziemlich ungewohnte Erfahrung für mich.
    Deswegen lasse ich mich auch nicht so leicht von der Bühne drängeln. Diesen kostbaren Moment will ich auskosten.

    Ich habe nicht so viel Erfahrung, aber warum eigentlich nicht? Das ist ja eine nette Geste, wenn man seinen Fans ein paar Blumen schenkt.
    Ich hole aus, denn ich will den Strauß Opa zuwerfen, der am Rand des Saals an einer der Türen steht. Das ist ziemlich weit weg, und deswegen muss ich ganz schön ausholen, um so weit zu werfen.
    Dazu kommt es aber gar nicht.
    Blumen haben mir noch nie Glück gebracht.
    Beim Ausholen treffe ich den Festivaldirektor mit dem Strauß direkt ins Gesicht. Benommen torkelt er zurück und landet in der Kinoleinwand.
    Es ist kein schönes Geräusch, als die Leinwand reißt und sich der Stoff in zwei Teile teilt, als wäre in der Mitte ein Reißverschluss. Danach sieht die Leinwand aus wie das Segel eines Zweimasters nach einem üblen Sturm mit Windstärke zwölf am Kap der Guten Hoffnung.
    Als die Sanitäter den Festivaldirektor in einem Rollstuhl aus dem Kino schieben, geht es ihm schon wieder etwas besser.
    »The show must go on«, flüstert er mir zu, als ich mich bei ihm entschuldigen will.
    Wahrscheinlich hat er recht.
    Das Leben geht weiter, ganz gleich,
    ... ob Anti nun schwarze oder blonde Haare
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