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Cool

Cool

Titel: Cool
Autoren: Ken Follett
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einem so schmalen Raum kann man nur die Unterarme bewegen, und man muß es mit kleinen Werkzeugen machen. Das ist extrem schwierig. Hut ab vor den Gangstern.«
    Die Mitreisenden von Albert und Audi nach Japan können es nicht fassen. »Wer hätte gedacht, daß so ein netter, höflicher, hilfsbereiter, wohlerzogener Mann der Kopf der >Kanalratten< ist?«
    In seiner Zelle macht Spaggiari zweimal am Tag Gymnastik. Er will sich fit halten. Anwalt Jacques Peyrat meint: »Seine Frau fehlt ihm sehr, aber seine Moral ist ungebrochen. Er denkt an seine Freiheit und das die ganze Zeit. Manchmal ist er wie ein Kind.«
     
    Die Bewachung an solchen Donnerstag-Nachmittagen wird recht lasch gehandhabt. Spaggiari erscheint mit nur zwei Polizisten. Auf dem Gang des Gerichtsgebäudes im 2. Stock bleiben ihm meist fünf Minuten, in denen er mit Audi allein sprechen kann. Auch Clemens von Bézard trifft ihn hier: Spaggiari lehnt noch einmal - persönlich - das Angebot für ein gemeinsam zu schreibendes Buch ab und sagt: »Ich habe bereits mit meinen Memoiren begonnen, und ich werde sie auch weiterhin allein schreiben.«
    Die Polizei ist sicher, daß Spaggiari irgendwann zusammenbricht. Er verlängert nur sein Leiden. Zum guten Ende wird er alles erzählen, und sie werden den Rest seiner Komplizen finden und den Fall abschließen. Sie haben keine Eile. Albert Mouray ist ein genauso geduldiger Mann wie der Untersuchungsrichter Bouazis. Beide haben Zeit. Am Donnerstag, dem 10. März 1977, verlieren sie den Boden unter den Füßen, und eine Welt stürzt für sie zusammen.
     
    SPAGGIARI ZERSTÖRT EIN FAHRZEUG
     
    Was verbirgt sich hinter dem ewigen Lächeln von Albert Spaggiari?
    Schlagzeile im >Nice-Matin< am 3. November 1976
     
    Der Gefangene sieht bleich aus. Er hat sein Frühstück nicht angerührt. Seit einigen Tagen hat er keinen Appetit mehr. »Ich fühle mich nicht gut«, sagt er dem Wärter. »Ich habe zuviel geraucht.«
    Der Wärter, dessen Name Verrauld ist, behandelt Spaggiari mit großem Respekt. »Kann ich irgend etwas für sie tun, Monsieur?« fragt er zuvorkommend. »Nein, danke. Ich brauche nichts.«
    Verrault verläßt ihn, und Spaggiari steht auf und schaut in den Spiegel. Heute kommt es darauf an, er muß ganz normal wirken: Lächeln, Witze reißen, selbstsicher und sorglos erscheinen. Es ist ein Donnerstag wie jeder andere, und sein zwanzigstes Verhör bei dem Untersuchungsrichter wird genauso sein, wie es das neunzehnte war - bis auf eines…
    Er zieht seinen bevorzugten schwarzen Samtanzug und das weiße Seidenhemd an und steckt die gewohnte Don-Miguel-Zigarre in den Mundwinkel. Als ihn die Polizisten um halb drei abholen, lächelt er freundlich, grüßt höflich und streckt ihnen seine Arme für die Handschellen entgegen. Der graugrüne Polizeibus bringt ihn zum Gerichtsgebäude. Die üblichen zwei Polizisten auf dem Motorrad folgen als Bewachung. Zusätzlich folgt eine Eskorte von vier Kripobeamten in einem neutralen Wagen. Spaggiari weiß nichts davon. Richter Richard Bouazis hat diese Vorsichtsmaßnahme erst vor zwei Wochen angeordnet. Spaggiari steigt die Marmorstufen des Gerichtsgebäudes hinauf. Mit einer Hand ist er an den einen Polizisten gekettet, der andere hält ihn am Arm fest. Beide Beamten sind bewaffnet. Albert nimmt immer zwei Stufen auf einmal und hält so seine Wächter auf Trab, demonstriert seine gute Form. Er hat ein eher vertrauliches Verhältnis zu den Polizisten.
    Der Raum für das Verhör ist sehr klein. Er ist mit Linoleum ausgelegt, und die Wände sind eintönig grau-gelb gestrichen. An den Fenstern hängen keine Vorhänge. Das Zimmer ist überreif für eine Renovierung, und außerdem sollen demnächst Gitter vor den Fenstern angebracht werden. Das ist bisher immer verschoben worden, weil in der Gerichtskasse permanent Ebbe herrscht. Rechts von der Tür steht ein mittelgroßer Tisch für den Untersuchungsrichter. Daneben steht ein mit Dokumenten überladenes Pult für die Protokollführerin. Es existieren genau vier Stühle und ein Aschenbecher. Spaggiari kommt herein und begrüßt seinen Anwalt, Jacques Peyrat. Der breitschultrige, ehemalige Fremdenlegionär ist ein Freund von Bürgermeister Jacques Médecin. Er hat sich für die nächsten Wahlen als Stadtrat aufstellen lassen. Albert und die beiden Frères Jacques sind Duzfreunde. Sie kennen sich bereits aus der Zeit des Indochinakrieges.
    Untersuchungsrichter Bouazis kommt herein. Die beiden Polizisten nehmen Spaggiari die
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