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Das Siegel der Macht

Das Siegel der Macht

Titel: Das Siegel der Macht
Autoren: Monika Dettwiler
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    Plötzlich schlug die Stimmung um. Eben waren die Höflinge des Königs noch gemütlich schwatzend unter dem Doppelbogen des römischen Stadttors von Verona durchgeritten. Als sie den Hauptplatz mit der gedrungenen Kirche erreichten, starrten die Leute ihnen feindselig entgegen.
    Breitbeinig pflanzten sich Bauern und Handwerker vor den jungen Reitern auf. Einige prächtig gekleidete Landadlige traten aus ihren mit antiken Reliefbalken verzierten Palazzi, fingen Blicke von unschlüssig wartenden Kleinbürgern auf.
    Carolus, Sigibert und Hodo bemerkten erstaunt, wie immer mehr Männer aus den Gassen zur Mitte des Platzes strömten. Der Höfling Alexius ritt eine Pferdelänge voraus und sah über die Menschenköpfe hinweg zum gewaltigen Amphitheater. Unter den Steinbögen sprangen Leute hin und her, warfen einander Lanzen und Schwerter zu. Wild gestikulierend stürmte der Haufen plötzlich aus dem Schatten der tausend Jahre alten Mauern auf den sonnenüberfluteten Platz mit dem monumentalen Brunnen.
    Schlagartig erfasste Alexius die Absicht der bewaffneten Schar. Als er seine Freunde warnen wollte, war es zu spät.
    »Fort mit den Fremden!«, übertönte eine schneidende Stimme das Menschengemurmel. »Niemand hat König Ottos Heer nach Verona gerufen.«
    Ein Stück Lehm flog durch die Luft und verklebte sich in Hodos Bart. Wie durch unsichtbare Hand gelenkt, bildete das bäuerliche Fußvolk einen Ring um die deutschen Ritter. Mütter schoben ihre Töchter aus der Menge in die sicheren Hauseingänge, während aufgebrachte Männer sich immer dichter zusammenrotteten. Ein Betagter stieß Schimpfworte aus, jüngere Bauern hoben drohend ihre Fäuste. Willig teilte sich die Menschenschar, als die gepanzerten secundi milites sichtbar wurden. Die Männer mit Schwertern bahnten sich den Weg zu den jungen Höflingen. Hinter ihnen schrie und gestikulierte jene Horde, die sich im römischen Amphitheater gesammelt hatte.
    »Unser König will keinesfalls ein Gemetzel«, rief Alexius seinen Begleitern zu. Er führte seinen nervös tänzelnden Fuchshengst dicht neben Carolus, sodass die Köpfe ihrer Pferde sich berührten. Leiser sagte Alexius zu seinem Freund: »Los, versuchen wir zu entkommen. Falls wir uns verlieren, wollen wir uns in der Schänke neben dem Tor der Abtei treffen.«
    Carolus nickte, straffte die Beine in den Steigbügeln und gab seinem Rappen einen Schlag. Das Tier galoppierte an den hastig zurückweichenden Stadtbewohnern vorbei Richtung Kloster.
    Sofort schloss sich der Menschengürtel um die drei zurückgebliebenen Ritter. Alexius war verzweifelt, als er Carolus aus den Augen verlor. Gewaltsam wollte er sein Pferd vorwärts treiben, aber niemand ließ ihn durch. Hass wogte dem entsetzten Höfling entgegen. Plötzlich rückte die Gefahr seine Sorgen um Carolus in den Hintergrund. Nun musste er an sich selber denken. Rund um ihn blitzten Schwerter im Sonnenlicht. Alexius hob seine Waffe und wehrte den Hieb eines gepanzerten Reiters ab. Erschrocken sah er, wie drei Waffen gleichzeitig auf ihn losschlugen. Instinktiv zuckte der Höfling mit dem Kopf nach hinten. Es gelang ihm, den Angriffen auszuweichen. Ein unberittener Handwerker benutzte den Augenblick und schlug mit seinem Stock auf Alexius ein. Betäubt griff dieser an seinen Mund, fühlte das warme Blut aus der verletzten Lippe fließen. Er riss sich die gelbe Mütze vom halblangen dunkelbraunen Haar und drückte sie gegen die Wunde.
    Das Fußvolk wurde zurückgedrängt, als die gepanzerten Reiter unvermutet eine Gasse bildeten. Wiehernd bäumte sich Alexius’ Pferd, fand den Weg aus der Menge. Sigibert und Hodo ritten dicht dahinter. Die golddurchwirkten Bänder ihrer Beinkleider hingen in Fetzen hinunter.
    Der Aufstand gegen die deutschen Ritter verebbte so schnell, wie er entstanden war. Unbehelligt lenkten die drei Gefolgsmänner des Königs ihre Pferde ans Ende des Platzes.
    Sigibert drehte sich im Sattel um. »Wo nur Carolus bleibt? Könnt ihr ihn sehen?«
    »Mach dir keine Sorgen! Wir haben uns beim Klostertor verabredet. Carolus erwartet uns bestimmt schon.« Alexius ritt seinen Freunden voran. Zwischen zwei gedrungenen Steinbauten fanden sie einen Durchgang. In der schattigen Gasse hinter dem Platz wurde es stiller um sie.
    Die Schänke neben dem Tor des Klosters von San Zeno war ein alter Fachwerkbau mit Ziegeldach. Aus den Fensteröffnungen strömte der schwarze Rauch der offenen Feuerstelle, denn das Loch in der Decke war nur ein kläglicher
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