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Das Siegel der Macht

Das Siegel der Macht

Titel: Das Siegel der Macht
Autoren: Monika Dettwiler
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wieder auf. Er richtete seine haselnussbraunen Augen auf Hodo. »Papst Johannes hat den König nach Rom gerufen. Aber werden wir dort willkommen sein?«
    »Der Pontifex ist in Schwierigkeiten.« Hodo zog ein Honigplätzchen aus der Tasche, schob es in den Mund. »Deshalb hat er am Ende des letzten Sommers seinen Legaten über die Alpen geschickt. Papst Johannes hofft, dass König Otto ihm gegen seinen römischen Bedrücker Crescentius Nomentanus hilft.«
    »Unsere teutonische Kraft wird den frechen Befehlshaber vernichten«, bemerkte Sigibert. »Otto muss Crescentius Nomentanus zeigen, wer der Herr Roms ist.«
    »Schön! Wir reisen mit einem König nach Rom und werden als Gefolgsmänner eines Kaisers zurückkehren.« Alexius hatte einen sonnigen, offenen Charakter und suchte immer das Positive. Sie alle zweifelten keinen Augenblick daran, dass der Hilfeschrei Papst Johannes XV. gut in die Pläne Ottos passte. Die Krönung zum Kaiser in Rom würde dessen Herrscherposition nicht nur in Deutschland festigen. Der Heilige Vater wollte die Hand dazu reichen. Hatte Johannes nicht schon an Ostern 995 den König aufgefordert, nach Rom zu kommen und die Kaiserkrone zu empfangen? Auch damals hatte der Papst eigene Probleme. Er brauchte die Unterstützung des Königs und der deutschen Bischöfe im Reimser Streit. Doch das war eine andere beunruhigende Geschichte. Alexius packte das Heimweh, er zwang sich, nicht an Reims zu denken.
    »Zunächst wird unser königlicher Freund im nördlichen Italien zu tun haben.« Sigibert wusste gut Bescheid über die Regierungsaufgaben Ottos, war sein Vetter doch einer der angesehensten Hofkapellane. »Der Doge von Venedig hat gegen zwei örtliche Bischöfe Klage eingereicht.«
    »Das passt genau zu den herrschaftlichen Wünschen«, warf Alexius ein. »Otto möchte sich enger mit Venedig verbinden. Wisst ihr, dass schon übermorgen der Sohn des Dogen in Verona ankommt, um das Sakrament der Firmung zu empfangen? Unser König wird Taufpate sein.«
    »Die Geschenke für den Dogensohn liegen in zwei Truhen im Kloster bereit«, verriet Sigibert.
    Plötzlich ertrug Alexius das gemütliche Geplauder nicht mehr. Mit Wucht schwang er sich auf und nahm seinen Fuchshengst am Zügel. »Wir müssen uns nun trennen und Carolus suchen«, sagte er ernst. »Ich gehe den ganzen Weg zum Amphitheater zurück.« Als die Freunde schwiegen, fuhr er fort: »Du, Sigibert, schaust am besten zuerst in unserem Quartier im Kloster von San Zeno nach und dann in den Gassen vor der steinernen Brücke. Könntest du bis zum Löwentor gehen, die Stadt beim Amphitheater überqueren und dem oberen Flusslauf folgen, Hodo?«
    Gespannt machte Alexius sich auf den Weg. Mit gedämpfter Stimme rief er alle paar Schritte nach Carolus.
    Immer wieder kam der junge Grieche von der Straße ab und durchkämmte schmale Nebengassen. Vor einer Werkstätte traf er auf einen Schmied, der im Freien Eisenstücke abkühlte. Alexius fragte ihn und andere Passanten verzweifelt nach seinem Freund. Niemand hatte den prachtvoll gekleideten Sachsen auf dem Rappen gesehen. Mit jedem Schritt wurde die Stimmung des Höflings bedrückter. Einmal wäre er fast mit einem Müller zusammengestoßen, der zwei Mehlsäcke auf dem Buckel trug. In einer von Kot und Unrat stinkenden Gasse begegnete er zwei schäbig gekleideten Burschen, die seinen byzantinischen Schmuck anstarrten. Alexius bestieg rasch seinen Fuchshengst und griff mit der Hand an den Schwertknauf.
    Als er die armseligen Hütten hinter sich hatte und an der Ruine des Bischofspalastes vorbeiritt, hörte der Grieche ein leises Stöhnen. Er band das Pferd an einen Pflock und betrat die mit Unkraut bewachsene Vorhalle des von den Ungarn zerstörten Steinhauses. Das Gebäude war unbewohnbar, seit dem Ungarnsturm residierten die Bischöfe von Verona im Kloster von San Zeno, wo auch der wandernde Königshof untergebracht war. Da er nach wenigen Schritten fast nichts mehr sehen konnte, ging Alexius zurück, um in der benachbarten Weberei eine Fackel auszuleihen.
    Vorsichtig betrat der Höfling erneut die Aula, schob herausgebrochene Steinsplitter mit den Füßen zur Seite. Da war es wieder. Ein seltsames, fast unmenschliches Stöhnen. Als er einen zweiten, finsteren Innenraum erreichte, roch es nach Moder. Alexius schob sich behutsam vorwärts, trat auf etwas Weiches. Kreischend raste eine Katze davon.
    Der junge Grieche hatte Atemnot, er glaubte zu ersticken. Frische Luft, stöhnte Alexius in Gedanken und
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