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Das Siegel der Macht

Das Siegel der Macht

Titel: Das Siegel der Macht
Autoren: Monika Dettwiler
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Erzkapellan Willigis dringend um Audienz beim Herrscher. Das Anliegen des wichtigsten königlichen Ratgebers duldete keinen Aufschub.
    Otto warf einen letzten Blick auf das kleine Bild und strich seinen Mantel glatt. Als er sich umdrehte, war der verträumte Zug um seinen Mund verschwunden. Unwirsch schob er den Notar zur Tür: »Los, gehen wir. Ich werde den Erzkapellan gleich persönlich besuchen. Kommst du mit mir, Alexius?«
    In der Kanzlei ließ Willigis jegliche Formalitäten beiseite und sprach eindringlich zu Otto: »Eine Gesandtschaft des Senates von Rom wartet in der Eingangshalle. Papst Johannes XV. ist am Fieber gestorben. Man bittet Euch, einen Nachfolger zu bestimmen.« Der Erzkapellan schwieg und wartete gespannt auf die Reaktion des Königs.
    Die Mitteilung wirkte wie ein Schlag. Glücklicherweise war Otto mit Alexius und seinem väterlichen Ratgeber allein. Er ließ sich gehen. »Der Heilige Vater Johannes verstorben? Sind wir vergeblich nach Italien gereist? Was, wenn der neue Papst die Kaiserkrönung verhindern will?«
    »Vergesst nicht, dass die Römer selbst Euch rufen. Aber kommt, wir wollen gleich mit der Delegation verhandeln.«
    Der König folgte Willigis ohne ein weiteres Wort. Sie gingen in die Pfalzhalle, wo die Abordnung des Senates von Rom wartete. Diener hatten inzwischen die meisten Tische des Osterbanketts abgeräumt und am Ende der langen Halle aufgestapelt. Otto schritt mit Willigis auf das Podest zu. Langsam ließ er seinen Blick über die Delegation schweifen, die auf sein Kopfnicken hin näher rückte. Verschwitzt von der Reise strömten die Männer einen unangenehmen Geruch aus, einigen konnte man die nackte Angst aus den Augen ablesen. Unsichere Blicke kreuzten sich. Nervös trat ein jüngerer Delegierter von einem Fuß auf den andern. Als der Erzkapellan ihnen ein Zeichen gab, beugten sich die Römer vornüber, bis ihre Köpfe fast die Knie berührten.
    Auf dem Podest vor den Italienern thronte nicht der schwärmerische Otto, den Alexius von romantischen Träumereien her kannte. Es war der künftige Kaiser, der im März unter Vorantragung der heiligen Lanze an der Spitze seines Heeres Regensburg verlassen hatte, um seiner Krönung in Rom entgegenzureiten. Gebieterisch erteilte Otto den Römern das Wort.
    »Unser Heiliger Vater ist tot. Das Volk von Rom ist bereit, sich dem König zu unterwerfen und ihm Treue zu schwören.« Demütig fielen der Sprecher und seine Begleiter vor Otto auf die Knie. »Der römische Senat bittet Euch, einen Nachfolger für den Apostolischen Stuhl zu bezeichnen.«
    »Wie ist Papst Johannes gestorben?« Der König war nervös und stand auf.
    Der älteste Abgeordnete des römischen Senats war zuerst wieder auf den Füßen. Er wartete, bis der Rest der Delegation eine würdige Position eingenommen hatte. »Starkes Fieber hat ihn während Tagen geschüttelt. Das Ende war vorauszusehen. Seit fast einem Jahr litt er an Schwächeanfällen.«
    Otto bemerkte Alexius, der mit der rechten Hand hin und her fuchtelte. Der Herrscher winkte ihn mit einer kaum sichtbaren Geste zu sich.
    »Ich kenne den Mann mit der grünen Tunika«, flüsterte der Grieche, als sie etwas zur Seite traten. »Er heißt Sergius. Mit Vater habe ich ihn vor einigen Jahren in Rom kennen gelernt. Es wäre gut, wenn wir allein mit ihm sprechen könnten.«
    Minuten später standen Otto, Willigis und Alexius dem Gesandten im Scriptorium der Kanzlei gegenüber. »Berichtet uns alles«, forderte Alexius ihn auf. »Auch das, was der Senat uns nicht offen sagen will.«
    »Ist Papst Johannes eines unnatürlichen Todes gestorben?« Bedenken schwangen in Ottos Stimme mit. Nervös nahm er eine Feder vom mit Dokumenten übersäten Schreibpult. Die ungeschickte Bewegung brachte einen Tintentropfen zum Fallen. Der Notar würde seine Mühe haben, den Flecken mit der schrägen Feder wieder vom Pergament abzukratzen.
    »Er ist einem Fieberanfall erlegen. Die Diagnosen aller Ärzte des Laterans stimmen überein.« Sergius’ Stimme klang fest. Niemand zweifelte an seinen Worten.
    »Wann ist der Tod eingetreten?«
    »In den ersten Märztagen.«
    »Und der Senat berichtet mir erst jetzt?«
    »Es haben sich … unvorhergesehene Vorfälle ereignet.«
    »Wir möchten alle Einzelheiten kennen«, mischte sich Erzkanzler Willigis ins Gespräch. »Beginnt mit dem Todestag.«
    »Ich muss weiter ausholen, wenn Ihr erlaubt. Nachdem Senator Crescentius Nomentanus sich mit Papst Johannes versöhnt hatte …«
    »Es hat
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