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Liliane Susewind – Tiger küssen keine Löwen (German Edition)

Liliane Susewind – Tiger küssen keine Löwen (German Edition)

Titel: Liliane Susewind – Tiger küssen keine Löwen (German Edition)
Autoren: Tanya Stewner
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Der erste Arbeitstag
    Lilli schlug das Herz bis zum Hals. Sie stand vor dem großen Eingangstor des Zoos und drehte angespannt eine ihrer rostroten Locken um den Zeigefinger. Heute war ihr erster Arbeitstag im Zoo. Seit Wochen hatte sie sich auf diesen Tag gefreut, aber nun war sie so nervös, dass sie am liebsten auf der Stelle kehrtgemacht hätte.
    »Sollen wir dich hineinbegleiten?«, fragte Lillis Vater, der neben ihr stand und ein wenig besorgt aussah. »Oma und ich könnten dich bis zum Büro der Zoodirektorin bringen.«
    Lillis Oma lächelte aufmunternd. »Am ersten Tag in einem neuen Job ist man immer ein bisschen kribbelig. Komm, Lilli, wir gehen mit dir rein.«
    »Nein, schon gut«, entgegnete Lilli und schüttelte den Kopf, sodass ihre wilden Locken hin und her wippten. Sie wollte nicht von ihrem Vater und ihrer Oma begleitet werden, als sei sie noch ein Baby. Das würde nur alle daran erinnern, wie jung sie noch war. »Ich pack das schon«, sagte sie und holte tief Luft.
    Lillis Vater strahlte. »Richtig so! Eine Susewind lässt sich nicht unterkriegen!«
    Lilli lächelte tapfer und ging in die Hocke, um sich von Bonsai, ihrem kleinen zotteligen Hund, zu verabschieden. »Ich gehe jetzt da rein und komme erst heute Abend wieder nach Hause«, erklärte sie dem weißen Winzling.
    »Was? Wieso? Was willst du denn da drin?«, bellte Bonsai alarmiert und spitzte die Ohren. Aus dem Zoo drangen viele unterschiedliche Tierlaute – Bärengebrüll, Affengekreisch, Pelikangeschnatter. »Hörst du das?« Bonsai tippelte unruhig auf der Stelle. Da erklang plötzlich ein besonders lauter, spitzer Affenschrei. Bonsai zuckte zusammen. »Angriff! Aufruhr! Alarm!«, kläffte er aus Leibeskräften.
    Lilli tätschelte ihm nachsichtig den Kopf. Bonsai wusste nicht, was die fremden Tierrufe zu bedeuten hatten, denn er war ein Hund und sprach ausschließlich Hundesprache. Lilli hingegen konnte genau verstehen, was sich die Affen zukreischten: »Hey, gib mir die Karotte!« – »Hol sie dir doch, Hohlkopf!«
    Der Bär brüllte: »Schöner Tag heute!«, und die Pelikane stritten sich darum, wer die meisten Fische in den Schnabel bekam.
    »Es ist in Ordnung, Bonsai«, beruhigte Lilli den Hund, der seit drei Jahren ihr treuer Begleiter war. »Du musst dir keine Sorgen machen.«
    »Was sind das für Typen?«, bellte Bonsai jedoch aufgebracht in Richtung der schläfrig dreinschauenden Papageien, deren Gehege gleich hinter dem Zooeingang lag. »Die sind mordsgefährlich!«
    »Nein, sind sie nicht«, widersprach Lilli sanft. »Wirklich, Bonsai, du musst nicht mehr so laut bellen.«
    Bonsai hielt inne und blickte Lilli forschend an. Dann wandte er sich seufzend einem interessant riechenden Baum zu.
    »Bist du Lilli?«, fragte plötzlich eine freundliche Stimme. Neben ihnen stand ein junger Tierpfleger in einem grünen Overall.
    »Ja«, erwiderte Lilli.
    »Ich bin hier, um dich abzuholen. Mein Name ist Finn.« Der Pfleger schüttelte Lillis Hand und sagte zu Lillis Vater und ihrer Oma: »Ich bringe Lilli zu Frau Essig-Steinmeier, der Zoodirektorin.«
    Jetzt wird es ernst!, schoss es Lilli durch den Kopf, und ihr Herz pochte wieder schneller. Rasch verabschiedete sie sich von ihrer Oma, Bonsai und ihrem Vater, der ihr nachrief: »Vergiss nicht, dein Butterbrot zu essen, Schatz!« Lilli war das peinlich. Finn sollte nicht denken, sie sei noch ein Kleinkind.
    Sie folgte dem jungen Pfleger in den Zoo. Finn hatte blaue Augen und hellbraune, lange Haare, die zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden waren. Er schien nett zu sein und fragte Lilli, ob sie aufgeregt war.
    »Ein bisschen«, antwortete Lilli, und das war eine gewaltige Untertreibung.
    »Wird bestimmt halb so schlimm.« Finn brachte sie in ein flaches Gebäude und führte sie an Futtersäcken, Eimern, Schaufeln und allerlei anderen Gerätschaften vorüber. »Das hier ist das Haupthaus«, erklärte er. Kurz darauf betraten sie einen Raum, in dem sich bereits mehr als ein Dutzend Tierpfleger und Frau Essig-Steinmeier, die Zoodirektorin, befanden.
    »Ah, da ist sie ja!«, rief die große, hagere Frau mit lauter Stimme. »Liliane Susewind, wir freuen uns, dass du uns im Zoo unterstützen willst.« Mit drei zackigen Schritten kam sie zu Lilli herüber, die Hände auf dem Rücken verschränkt. Lilli kannte die Direktorin zwar bereits, doch ihr Herz klopfte trotzdem zum Zerspringen.
    Frau Essig-Steinmeier hatte dunkelbraunes, von grauen Strähnen durchzogenes Haar, das am Hinterkopf zu einem
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