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Dr. Stefan Frank - Halt dich an mir fest!

Dr. Stefan Frank - Halt dich an mir fest!

Titel: Dr. Stefan Frank - Halt dich an mir fest!
Autoren: Stefan Frank
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Fast hätte sie auf dem Bahnsteig wieder kehrtgemacht.
    Isabell Tiberius blieb stehen und betrachtete den ICE. Wie eilig die Menschen es hatten, in den Zug zu steigen!
    Sie schaute auf ihre Uhr. Fünf Minuten noch, dann würde der Zug abfahren. Wenn sie jetzt einfach trödelte … Oder sich umdrehte und wieder in die geschäftige Bahnhofshalle ging …
    Doch dann stieß sie einen tiefen Seufzer aus, wuchtete ihre Reisetasche in den Wagon und stieg ein. Es brachte nichts, wenn sie kniff. Die bohrenden Fragen würden bleiben und sie weiterhin quälen.
    Isabell seufzte erneut. Die Glastür vor ihr öffnete sich. Die junge Frau ging den schmalen Gang entlang und suchte den Platz, den sie sich hatte reservieren lassen. Er gehörte zu einer Vierersitzgruppe.
    Mist, dachte sie, als sie sah, dass einer der Plätze ihr gegenüber ebenfalls reserviert war. Jetzt kriege ich vermutlich Gesellschaft. Hoffentlich niemand, der glaubt, er müsste die ganze Zeit reden.
    Ihre Laune sank noch ein bisschen.
    Isabell verstaute ihre Tasche neben sich – da wird sich jetzt hoffentlich niemand hinsetzen, überlegte sie, und schon gar nicht, wenn ich ein grimmiges Gesicht mache! – und nahm dann Platz.
    Sie hatte sich gerade zurückgelehnt, als ein hochgewachsener, gut aussehender Mann neben ihr im Gang stehen blieb, die Platzreservierung betrachtete und ihr zunickte. Dann setzte er sich ihr gegenüber hin und grüßte freundlich.
    Isabell machte ein noch grimmigeres Gesicht und brummte etwas Unverständliches.
    Dr. Frank unterdrückte ein Lächeln. Da gab sich aber jemand ziemlich viel Mühe, einen abweisenden Eindruck zu machen. Nun, ihn störte das nicht, er war nicht darauf aus, sich die ganze Fahrt über zu unterhalten.
    Unwillkürlich gähnte er. Er war müde, man hatte ihn mitten in der Nacht zu einem älteren Patienten gerufen, der plötzlich Atemnot bekommen hatte. Doch der Mann hatte bloß unter einer Fehlfunktion der Stimmbänder gelitten, bei der sich diese unvermittelt verkrampften. Nichts Lebensgefährliches, Gott sei Dank, aber extrem unangenehm für den Betroffenen. Sein Patient hatte Todesangst gehabt und befürchtet zu ersticken, doch dann hatten sich die Stimmlippen von selbst wieder geöffnet.
    Da dies nicht der erste Anfall des Patienten gewesen war und er jedes Mal durch Sodbrennen ausgelöst wurde, hatte Dr. Frank vorsorglich entsprechende Medikamente mitgenommen. Die körperlichen Beschwerden hatten schnell nachgelassen, doch die Angst war geblieben, und so war er noch fast eine Stunde bei dem älteren Herrn und dessen Frau geblieben.
    Nachdem er ins Grünwalder Doktorhaus zurückgekehrt war, hatte er nicht gleich einschlafen können. Als der Wecker dann am Morgen geklingelt hatte, war es ihm so vorgekommen, als hätte er gerade erst ein paar Minuten geschlafen.
    Der ICE fuhr los und rollte aus dem Münchener Hauptbahnhof.
    Vielleicht kann ich ja hier im Zug ein bisschen Schlaf nachholen, dachte Dr. Frank, schließlich dauert die Fahrt ein paar Stunden.
    Er warf einen Blick zu seiner Mitreisenden hinüber, die ihn immer noch so böse anschaute, und schloss die Augen.
    ***
    Auch Isabell hätte gern ein wenig geschlafen, doch sie war viel zu nervös. Tiefe Ringe lagen unter ihren Augen, denn sie hatte in der vergangenen Nacht keine Ruhe gefunden. Eigentlich gar nicht mehr, seit sie vor zwei Tagen diese beiden merkwürdigen Briefe erhalten hatte.
    Sie starrte auf ihre Handtasche, die sie auf dem Schoß hielt. Dann öffnete sie den Reißverschluss und zog ihn wieder zu. Seufzend legte sie die Tasche neben sich – und nahm sie erneut in die Hand. Nachdenklich holte sie die Umschläge doch heraus, drehte sie zwischen ihren Fingern und betrachtete die Absender.
    Nachlassgericht München und Rechtsanwalt Dr. Dornbuschen.
    Langsam zog sie erst den einen Brief heraus, dann den anderen. Sie glättete die Seiten, legte sie nebeneinander und überflog die Zeilen. Doch sie hätte sie gar nicht lesen müssen, denn sie kannte den Inhalt längst auswendig.
    Der erste Brief enthielt die Mitteilung, dass Johannes Baldenau sie zur Haupterbin seines Vermögens gemacht hatte. Der zweite stammte von einem Münchener Anwalt, der Isabell bat, ihn am kommenden Dienstag um zehn Uhr in seiner Kanzlei aufzusuchen, „in der Angelegenheit Johannes Baldenau“.
    Wer, um Himmels willen, war Johannes Baldenau?
    Isabell, die erst vor einem halben Jahr nach München gezogen war, hatte diesen Namen noch nie in ihrem Leben gehört. Sie hatte nicht
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