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Im Bann der Engel

Im Bann der Engel

Titel: Im Bann der Engel
Autoren: C Gref
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Prolog

    Missbilligend sah Jeremias Redcliff auf die Fingerabdrücke, die sich ölig vom Ebenholzrahmen des Spieltisches abhoben. Sein Blick wanderte zum Verursacher. Es war ein Schönling mit einer Entourage von, zugegebenermaßen, sehr attraktiven Frauen. Aber der Mann machte einen Fehler. Zu viel Pomade verdarb auch das kräftigste Haar. Und den dünnen Oberlippenbart fand Jeremias abscheulich. Er seufzte und wandte sich der Bar zu.
    »Was kann ich Ihnen Gutes tun?«, sprach ihn die Thekendame an und strich mit dem Zeigefinger über seine sorgfältig rasierte Wange.
    »Ach Holly, da gäbe es Einiges. Aber meine Verlobte würde Ihnen die Augen auskratzen und das wäre sehr schade. Also muss ein Drink einstweilen genügen.«
    Holly kicherte und stellte ein Glas Scotch vor Redcliff ab.
    Seine Finger zitterten, als er das Glas hob. Er war überreizt, denn seit einigen Nächten wurde Jeremias zu den unmöglichsten Zeiten wach, sah zum Fenster seines Schlafzimmers und glaubte Schatten zu sehen.
    »Es sind nur die Zweige vom Baum, die sich im Wind bewegen«, nuschelte Linda schlaftrunken, wenn er sie wieder einmal weckte und ihr von seinen Ängsten erzählte.
    Aber Jeremias wusste es besser. Äste besaßen keine Flügel.
    Jubelschreie und lautes Händeklatschen rissen ihn aus seinen düsteren Gedanken.
    »Großartig, einfach großartig. Sie hat mir tatsächlich Glück gebracht. Komm her, Süße.«
    Der Mann mit der vielen Pomade und eine brünette Dame tauschten einen langen Kuss. Der Groupier schob mit gerunzelter Stirn einen sehr hohen Stapel Jetons auf die Seite des Schönlings. Der Angestellte fing Jeremias’ Blick auf und hob entschuldigend die Schultern.
    Jeremias wandte sich ab, er konnte den Anblick des selbstgefälligen Gewinners nicht ertragen.
    »Holly, noch einen Scotch, bitte.«
    Im Geiste überschlug er den Verlust. Es mussten an die achthundert Pfund sein, die ihn diese ölige Ratte kostete. Lumpige zwanzig Pfund hatte der Kerl eingesetzt. Jeremias hätte seine Spielbank am liebsten verlassen, doch die Aussicht auf seine nörgelnde Verlobte, mit ihren ständigen Vorwürfen, hielt ihn davon ab.
    Als wäre diese Aussicht nicht bereits schlimm genug, ahnte Jeremias Übles, als sein Teilhaber schnellen Schrittes an die Bar kam, sich neben Jeremias auf einen Hocker fallen ließ und ihn mit seinem Überbiss anbleckte.
    »Gute Neuigkeiten. Sie hat ihr Angebot erhöht«, sagte sein Teilhaber anstelle einer Begrüßung.
    »Was soll daran gut sein?«
    »Fünftausend Pfund sind doch ein Wort.«
    Jeremias schlug mit der Faust auf den Tresen. Der Scotch schlug Wellen im Glas.
    »Schreib es dir ein für allemal hinter die Ohren. Ich. Werde. Nicht. Verkaufen.«
    Das Grinsen verschwand aus Thomas Fryes Gesicht.
    Er legte Jeremias die Hand auf den Arm. »Sei kein Idiot. Ich habe den Vertrag unterschrieben. Er liegt im Büro. Schlaf noch mal eine Nacht drüber und dann gib dir einen Ruck.«
    »Es geht ums Prinzip. Mein Vater hat das Casino aufgebaut. Ich kann es nicht verkaufen. Das wäre, als würde ich auf sein Grab pissen.«
    »Wenn du noch länger zögerst, nimmt die Bank es dir weg.«
    »Warte mal, Tom. Du hast einen Vertrag unterschrieben?«
    »Es ist das Beste für uns. Ich kann kein Geld mehr in den maroden Laden stecken.«
    »Jetzt pass gut auf, was Onkel Jeremias dir sagt. Du wirst ins Büro gehen und diesen Wisch zerreißen. Ist das klar?«
    »Nein, dieses Mal nicht. Wenn du nicht verkaufen willst, dann zahl mich aus.«
    Thomas stand auf, nickte Holly zu und ließ Jeremias allein an der Bar zurück.
    »Holly, geben Sie mir die Flasche.« Jeremias deutete auf den Scotch.
    Holly weckte ihn, als alles aufgeräumt war. Jeremias schmeckte Säure auf der Zunge und sah doppelt. Es ging besser, als er sich ein Auge zuhielt.
    »Gute Nacht, Mister Redcliff. Schlafen Sie gut.«
    »Sie auch, Holly. Sie auch«, murmelte er und verließ das Casino.
    Wind fuhr im kalt durchs Haar. Jeremias versuchte, die Knöpfe seines Jacketts zu schließen und scheiterte. Also schlang er die Arme um sich und sah sich nach einem freien Dampfmobil um. Hinter ihm schloss Holly die Tür ab. Dann entfernten sich ihre Schritte.
    Die hat’s gut, dachte er. Sie muss einfach nur die Treppe hoch und kann sich in ihr Bett fallen lassen.
    Ausgerechnet jetzt, wo er viel zu betrunken zum Laufen war, blieb das charakteristische Schnaufen der schwerfälligen Mietfahrzeuge aus. Leer erstreckte sich die Straße vor Jeremias. Dampf quoll aus den Kanaldeckeln.
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