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Dr. Stefan Frank - Halt dich an mir fest!

Dr. Stefan Frank - Halt dich an mir fest!

Titel: Dr. Stefan Frank - Halt dich an mir fest!
Autoren: Stefan Frank
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wäre, hättest du ihn mir dann je gegeben?“
    Wieder antwortete Lydia nicht, wieder schwieg sie nur.
    „Du hättest es nicht getan …“, sagte Isabell fassungslos. „Mein Gott, was bist du nur für ein Mensch? Einem Sterbenden den letzten Wunsch zu versagen. Was hat er dir denn getan? Was habe ich dir getan? Was hat dir ein kleines Kind getan – schlimmer noch: dein eigenes Kind –, dass du es so kalt abgewiesen hast? Hätte es Papa nicht gegeben, ich wäre in deiner Kälte erfroren! Und das alles nur, weil ich so aussehe wie der Mann, der mich gezeugt hat?“
    „Woher weißt du das?“
    „Das geht dich gar nichts an.“ Isabell blickte ihre Mutter voller Abscheu an. „Ich gehe. Ich übernachte im Hotel und fahre morgen nach München zurück.“ Sie schaute auf den Brief in ihrer Hand und fuhr mit dem Zeigefinger über den Umschlag. Es sah nicht so aus, als sei er geöffnet worden. „Hast du ihn gelesen?“, fragte sie dennoch.
    „Natürlich nicht! Was denkst du denn von mir?“
    „Willst du das wirklich hören?“ Isabell lächelte spöttisch. „Weißt du, inzwischen traue ich dir alles zu. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass die Geschichte zwischen dir und meinem leiblichen Vater längst nicht so abgelaufen ist, wie du es darstellst.“
    Sie ging zur Tür, drehte sich dort aber noch einmal um und sah ihre Mutter an.
    Lydia zuckte vor dem Ausdruck zusammen, der in den Augen ihrer Tochter lag.
    Plötzlich lächelte Isabell, aber es war ein böses Lächeln.
    „Und was die Erbschaft betrifft: Du kannst mir nicht verbieten, sie anzunehmen“, stellte sie fest. „Du kannst mir überhaupt nichts verbieten.“
    Damit wandte sie sich endgültig ab und ging. In der Diele griff sie nach ihrer Tasche, öffnete die Wohnungstür und zog sie dann hinter sich zu.
    Isabell ging für immer. Sie würde nie mehr zurückkehren. Sie wollte ihre Mutter nie mehr wiedersehen, nie mehr auch nur ein Wort mit ihr sprechen.
    ***
    Tränen brannten in Isabells Augen. Sie war durcheinander, so schrecklich durcheinander. Es wollte ihr einfach nicht gelingen, Ordnung in ihre aufgewühlten Gedanken zu bringen.
    Sie hatte alles Mögliche von diesem Besuch erwartet, aber ganz bestimmt nicht, dass sie plötzlich zwei Väter hatte.
    Fragen über Fragen wirbelten durch ihren Kopf. Sie wollte so vieles wissen, doch würde sie jemals Antworten bekommen?
    Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass das alles nur ein Traum war – ein Alptraum. Das konnte doch nicht wahr sein, oder? Wie hatten ihre Mutter und ihr Vater sie all die Jahre so belügen können? Wer war dieser andere Mann, dem sie ihr Leben verdankte? Wieso hatte er sie nun so überraschend zur Erbin gemacht? Hatte ihn das schlechte Gewissen gequält? Wollte er auf diese Weise etwas wiedergutmachen?
    Und wer war sie selbst? Plötzlich und unvermittelt war ihr ganzes Dasein auf den Kopf gestellt worden, hatte so vieles von dem, was ihr bisher Sicherheit gegeben hatte, keinen Bestand mehr.
    Eine ganze Weile lang lief sie durch den Hofgarten. Irgendwann wurde ihr schließlich die Tasche zu schwer, und sie setzte sich am Springbrunnen auf eine Bank.
    Ich fahre heute noch zurück, beschloss sie. Ich nehme den nächsten Zug nach München – egal, ob er durchfährt oder ich ein paar Mal umsteigen muss.
    Sie zog ihr Smartphone aus der Tasche und schaute nach, welche Möglichkeiten sie hatte. In einer Dreiviertelstunde fuhr ein ICE. Es war zwar keine durchgehende Verbindung, und sie würde erst spät am Abend in München ankommen, doch das war immer noch besser, als hier zu bleiben und die Nacht in einem Hotel zu verbringen.
    Doch bevor sie aufstand und zur nächsten Haltestelle ging, schrieb sie noch schnell eine Nachricht an Dr. Frank:
    Ich fahre nach Hause zurück, noch heute. Von meiner Mutter habe ich erfahren, dass Herr Baldenau tatsächlich mein Vater ist – ist das nicht komisch? Na ja, richtig lachen kann ich nicht darüber, denn die ganze Geschichte hat mehr von einer Tragödie als von einer Komödie. Und der schlimmste Bösewicht ist meine Mutter. Mehr darüber dann in München. Ich muss erst einmal über alles nachdenken, und es sind – ehrlich gesagt – keine besonders schönen Gedanken …
    * **
    Der Brief ihres Vaters schien sich durch ihre Handtasche zu brennen, aber Isabell blieb standhaft und holte ihn nicht heraus. Sie wollte ihn nicht hier lesen, nicht im Zug, umgeben von fremden Menschen, sondern zu Hause, in Ruhe, in ihrer vertrauten Umgebung.
    Doch Isabells Geduld
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