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37 - Satan und Ischariot I

37 - Satan und Ischariot I

Titel: 37 - Satan und Ischariot I
Autoren: Karl May
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ERSTES KAPITEL
    In der Sonora
    Sollte jemand mich fragen, welches wohl der traurigste, der langweiligste Ort der Erde sei, so würde ich, ohne mich lange zu besinnen, antworten: Guaymas in Sonora, dem nordwestlichsten Staat der Republik von Mexiko. Diese Meinung ist allerdings nur eine rein persönliche; ein anderer würde sie wahrscheinlich bestreiten; ich aber habe in der Stadt die inhaltslosesten zwei Wochen meines Lebens – man verzeihe mir den freilich sehr zutreffenden Ausdruck – verfaulenzt und verspielt.
    Die im östlichen Teil von Sonora sich erhebenden Berge enthalten reiche Lagerstätten von edlen Metallen, Kupfer und Blei, und fast alle Wasserläufe führen Waschgold mit sich; aber die Ausbeute war damals nur eine geringe, weil die Reviere von den Indianern unsicher gemacht wurden und man sich nur in starker Gesellschaft hinauf an Ort und Stelle getraute. Wo aber eine so zahlreiche Belegschaft hernehmen? Der Mexikaner ist alles andere, nur kein Arbeiter; dem Indianer fällt es nicht ein, gegen Tagelohn die Schätze auszugraben, welche er noch heutigen Tages für sein rechtmäßiges Eigentum hält; chinesische Kulis könnte man genug bekommen, doch mag man sie nicht, denn wer diese unsauberen Geister beschwört, der wird sie nicht wieder los – – – aber die Gambusinos, die Prospektors, wird man sagen; das sind doch die eigentlichen Goldsucher und Minenarbeiter; warum engagiert man diese nicht? Sehr einfach darum, weil damals keine zu haben waren; sie waren alle hinüber nach Arizona, wo das Gold in hellen Haufen liegen sollte. Darum waren die Reviere von Sonora verödet, gerade wie noch heute, wo nicht nur der Bergbau, sondern auch die Viehzucht des Landes unter der Furcht vor den wilden Indianern daniederliegt.
    Auch ich hatte nach Arizona gewollt, doch nicht etwa weil auch am Goldfieber leidend, sondern aus Interesse für das eigenartige Leben, welches in den Diggins herrscht; da aber kam die bekannte Erhebung des mexikanischen Generals Jargas; ich wurde vom Herausgeber einer Zeitung in San Franzisco gefragt, ob ich für sein Blatt nach dem Schauplatz der Empörung gehen wolle, um Berichte zu schreiben, und ich ergriff mit Freuden diese Gelegenheit, eine Gegend kennenzulernen, welche ich sonst wohl nie zu sehen bekommen hätte. Jargas hatte kein Glück; er wurde besiegt und erschossen, und ich ging, nachdem mein letzter Bericht abgesandt worden war, über die Sierra Verde zurück, um nach Guaymas zu kommen. Dort hoffte ich eine Schiffsgelegenheit nach einem nördlicheren Ort des kalifornischen Golfes zu finden, denn ich wollte nach dem Rio Gila, wo ich laut einer Verabredung mit meinem Freund, dem Apachenhäuptling Winnetou, zusammentreffen sollte.
    Leider ging meine Rückkehr nicht so schnell vonstatten, wie es in meinem Wunsch lag. Ich hatte, als ich mich noch in der einsamen Sierra befand, das Unglück, daß mein Pferd stolperte und einen Vorderfuß brach; ich mußte es erschießen und den Weg dann unter die eigenen Füße nehmen. Tagelang sah ich keinen Menschen, am allerwenigsten einen, dem ich ein Pferd oder Maultier hätte abkaufen können. Vor einer Begegnung mit Bravos-Indianern hütete ich mich, da bei einer solchen nur zu verlieren und nichts zu gewinnen war. Es war eine lange und anstrengende Wanderung, und so atmete ich froh auf, als ich endlich den Trachytkessel niederstieg, in welchem das traurige Guaymas liegt.
    Obgleich am ersehnten Ziel angekommen, war ich doch keineswegs entzückt über den Anblick, welchen die Stadt mir bot. Sie hatte damals kaum zweitausend Einwohner und bestand aus Häusern, welche aus Luftziegeln erbaut waren und keine Fenster hatten. Rings von hohen, kahlen Felsen umgeben, lag der Ort wie eine ausgedorrte Leiche in erdrückender Sonnenglut. In der Umgebung war kein Mensch zu sehen, und auch als ich mich dann zwischen den ersten Häusern befand, schien es, als ob dieselben ausgestorben seien. Freilich war der Eindruck, welchen ich auf oder in Guaymas machen mußte, kein besserer als derjenige, welchen die Stadt auf mich machte, denn ich hatte keineswegs das Aussehen eines Gentleman oder, wie man dort sagt, eines Caballero. Mein Anzug, für welchen ich vor meiner Abreise in San Franzisco achtzig Dollar bezahlt hatte, war nach und nach in eine solche Zerfahrenheit geraten, daß verschiedene Gegenden meiner Person viel sichtbarer waren als der Stoff, dem ich ihre Bedeckung anvertraut hatte. Auch die Fußbekleidung war bei der vollständigen Erschöpfung
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