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37 - Satan und Ischariot I

37 - Satan und Ischariot I

Titel: 37 - Satan und Ischariot I
Autoren: Karl May
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gezwungen, sich dieser Tinte und Feder zu bedienen, und dabei, ebenso aus weiser Sparsamkeit, jedesmal für einen Groschen Spiritus verbrannt! Es dauerte wenigstens eine Viertelstunde, bis das Wasser kochte; solange hielt er es geduldig über die Lampe; dann tauchte er die Feder hinein, ließ sie eine Weile darin brühen, goß dann das Wasser in das Tintenfaß, rührte es mit der Feder kräftig um und meinte dann in einem sehr befriedigten Ton:
    „So, jetzt kann das Werk beginnen; ich bin bereit dazu.“
    Er legte das Buch vor sich hin, stellte sich die Tinte bequem zur Hand, räusperte sich energisch, griff zur Feder, hustete, zog die Stirn in tiefe Falten, legte das Buch anders, gab auch dem Tintenfaß eine andere Stelle, hustete wieder, setzte sich fester, als er vorher gesessen hatte, kurz und gut, gebärdete sich so, als ob er im Begriff stehe, das größte Kunstwerk der Welt in Angriff zu nehmen.
    Ich brachte es nur mit Anstrengung fertig, ernst zu bleiben, und konnte mir nun das Aussehen des Fremdenbuches erklären. Ich hatte, während er Wasser kochte, darin geblättert. Die Schrift war auf den letzten Seiten dunkelgelb, wurde je weiter nach vorn desto heller und war endlich gar nicht mehr zu lesen. Die vordersten Seiten schienen niemals beschrieben worden zu sein.
    „Jetzt passen Sie auf, Señor“, sagte er. „Ich habe einzutragen den Tag und das Jahr Ihrer Ankunft bei mir, Ihren Namen, Ihren Stand oder Beruf und die Absicht, in welcher Sie sich hier befinden. Ich hoffe, daß Sie mir das alles der strengsten Wahrheit gemäß angeben!“
    Ich machte ihm die Angaben, und er malte sie in Buchstaben nieder, welche in Beziehung auf Deutlichkeit nichts zu wünschen übrigließen. Er malte nicht nur, sondern er mahlte förmlich, langsam, sehr langsam, mit einem Druck und einer Hingebung, wie es einer so wichtigen und edlen Beschäftigung würdig war. Als er nach einer guten halben Stunde den letzten Strich verbrochen hatte, machte er ein sehr befriedigtes Gesicht, schob das Buch von sich ab und fragte mich dann:
    „Wie gefällt Ihnen meine Hand, Señor? Haben Sie schon einmal solche Buchstaben und Züge gesehen?“
    „Nein, noch nie“, antwortete ich der Wahrheit gemäß. „Sie haben eine sehr charaktervolle Hand.“
    „Das ist kein Wunder, da ich es bin, der fast alle Namen einzutragen hat, denn die meisten Gäste verstehen, gerade so wie Sie, mit Tinte und Feder nicht umzugehen. Ich danke Ihnen für Ihre Angaben; sie sind leicht verständlich; nur eine kann ich mir nicht erklären. Sie haben als ihren Beruf angegeben, daß sie Literat sind. Dieses Geschäft ist mir noch nicht vorgekommen. Ist es ein Handwerk, eine militärische Charge, oder bezieht es sich auf den Handel im allgemeinen oder auf das Hausieren insbesondere?“
    „Keines von alledem. Ein Literat ist das, was sie im Spanischen mit dem Worte Autor oder Escritor bezeichnen.“
    Da sah er mich überrascht an und fragte:
    „Haben Sie Vermögen?“
    „Nein.“
    „Dann bedauere ich Sie von ganzem Herzen, da Sie bei Ihrem Beruf notwendigerweise verhungern müssen.“
    „Wieso, Don Geronimo?“
    „Das fragen Sie noch? Oh, ich kenne diese Verhältnisse sehr genau, denn wir haben hier in Guaymas auch einen Escritor. Er ist sehr reich und schreibt für ein Blatt, welches in Hermosillo erscheint. Er muß sehr viel Geld bezahlen, um seine Einsendungen gedruckt zu sehen. Es ist ein Geschäft, welches große Ausgaben verursacht und gar nichts einbringt. Wie können Sie leben; was wollen Sie essen und trinken, und womit wollen Sie sich kleiden? Ich bedauere Sie auf das herzlichste! Können Sie denn bezahlen, was Sie bei mir genießen?“
    „Ja. Dazu reicht es noch aus.“
    „Das freut mich sehr. Hm, ein Escritor! Da ist es kein Wunder, daß Sie so ungemein herabgekommen sind, und ich finde es fast unbegreiflich, daß Sie dabei ein so gutes und gesundes Aussehen haben. Aber – – – Caramba, da fällt mir ein: Wenn Sie ein Escritor sind, müssen Sie doch schreiben können?“
    „Allerdings.“
    „Und trotzdem haben Sie diese harte Arbeit mir überlassen! Warum verheimlichten Sie die Kunst, deren Sie mächtig sind?“
    „Weil es unhöflich gewesen wäre, Ihnen zu widersprechen, als Sie mich für einen Mann erklärten, welcher die Feder nicht zu führen versteht.“
    „Richtig! Diese Ihre Höflichkeit dient Ihnen als Empfehlung. Darf ich fragen, woher Sie kommen?“
    „Von jenseits der Sierra Verde!“
    „Als Fußgänger? Sie armer
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