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37 - Satan und Ischariot I

37 - Satan und Ischariot I

Titel: 37 - Satan und Ischariot I
Autoren: Karl May
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sie schläft sehr gerne, wenn sie nichts anderes zu tun hat; aber sie ist dann in den Hof gegangen, um Sie zu betrachten, und als sie Ihren Anzug sah, Ihre Stiefel, Ihren Hut, da meinte sie, – – – nun, Señor, es ist doch wohl nicht so notwendig, daß ich mich noch deutlicher ausdrücke?“
    „Nein, ich verstehe Sie auch so, Don Geronimo, und werde, da ich der Doña nicht gefalle, mich nach einem anderen Haus umsehen.“
    Ich wandte mich zum Gehen; da hielt er mich zurück und sagte:
    „Halt! Warten Sie noch ein wenig! Es ist so einsam, wenn man keinen Gast im Haus hat, und Sie sehen mir doch nicht wie ein Bravo aus, den man fürchten muß. Ich möchte bei Doña Elvira ein gutes Wort für Sie einlegen. Dazu ist erforderlich, beweisen zu können, daß Sie mir nützlich sind. Spielen Sie vielleicht Domino?“
    „Ja“, antwortete ich, mich über diese Frage wundernd.
    „Gut! Kommen sie herein! Wir wollen eine Probe machen.“
    Er schritt voran, und ich folgte ihm nach dem Innern des ‚Hotels‘. Doña Elvira lag in ihrer Hängematte. Señorita Felisa saß im Büfett bei einem Glas Rum. Die drei Buben waren nicht da; sie befanden sich draußen auf der Straße, wo sie sich mit ihresgleichen damit unterhielten, sich mit faulen Apfelsinen zu bewerfen. Don Geronimo holte die Dominosteine und lud mich ein, mich zu ihm an einen der Tische zu setzen. Als die Steine rasselten, bewegte sich Doña Elvira, und als ihr Gatte mir andeutete: „Nehmen Sie sechs; der höchste Pasch setzt an“, da hob sie den Kopf. Señorita Felisa kam mit ihrem Glas herbei und setzte sich zu uns, um zuzusehen. Ich sah, was für Leute ich vor mir hatte. Die Menschen schliefen, wenn sie nicht Domino spielten, und spielten Domino, wenn sie nicht schliefen. Und dabei war Geronimo kaum ein leidlicher Spieler. Ich gewann die erste Partie, die zweite und auch die dritte. Bei der ersten freute er sich; bei der zweiten wunderte er sich, und bei der dritten rief er entzückt aus:
    „Sie sind ein Meister, Señor. Sie müssen bei uns bleiben, damit ich von Ihnen lernen kann. Drei Spiele hat mir noch kein Mensch abgewonnen!“
    Die Wahrheit war, daß ich mir gar keine Mühe gegeben hatte; er spielte so mangelhaft, daß es gar keiner Berechnung bedurfte, um ihn zu besiegen. Er stand vom Tisch auf und ging zu seiner Frau, mit welcher er leise flüsterte. Dann begab er sich hinter das Büfett, brachte ein Buch hervor, dazu ein riesiges Tintenfaß, legte oder stellte beides vor mich hin und sagte:
    „Doña Elvira ist so gütig gewesen, ihre Einwilligung zu erteilen, daß Sie hier bleiben können; schreiben Sie also Ihren Namen in dieses Fremdenbuch!“
    Ich schlug das Buch auf. Es enthielt lauter Namen, Zahlen und Daten; bei der zuletzt beschriebenen Seite lag die Feder, ein uralter Gänsekiel, dessen Schnabel fast genausoweit wie meine Stiefel vorn auseinander klaffte; auch er war mit einer harten, dicken Kruste überzogen.
    „Mit dieser Feder soll ich schreiben?“ fragte ich belustigt.
    „Allerdings, Señor. Es ist keine andere vorhanden, und Sie werden wohl auch keine bei sich führen.“
    „Aber das ist ja ganz unmöglich!“
    „Wieso? Ich sage Ihnen, seit ich dieses Hotel besitze, das sind nun fast zehn Jahre her, haben sich alle meine Gäste mit dieser Feder und mit dieser Tinte eingetragen.“
    Die Tinte war natürlich längst verhärtet.
    „Wie haben sie das angefangen?“
    „Mit Wasser, wie Sie sich leicht denken könnten, wenn Sie in der Kunst des Schreibens nur einigermaßen bewandert wären. Wenn man die Feder in heißem Wasser einweicht, wird sie so weich wie neu, ja noch viel weicher. Und gießt man heißes Wasser in das Faß, so bekommt man eine vollständig neue und außerordentlich gute Tinte. Da mein Haus einen lebhaften Zuspruch hat und jeder Gast sich hier eintragen muß, so wird bei mir ungewöhnlich viel geschrieben; ich darf also nicht verschwenderisch mit Tinte und Feder umgehen. Da Sie des Schreibens unkundig zu sein scheinen, so will ich den Eintrag für Sie vornehmen.“
    „Tun Sie das, Señor; ich bitte sehr darum. Sie nehmen mir damit eine große Last von der Seele.“
    „Sehr wohl! Es kann nicht jeder ein Gelehrter sein. Es soll sofort geschehen; ich will mir vorher erst heißes Wasser machen.“
    Er ging an das Büfett. Ich sah, daß er Spiritus oder gar Rum in eine Lampe goß, denselben anbrannte und ein blechernes Gefäß über die Flamme hielt. Er hatte aus weiser Sparsamkeit seine Gäste zehn Jahre lang
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