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37 - Satan und Ischariot I

37 - Satan und Ischariot I

Titel: 37 - Satan und Ischariot I
Autoren: Karl May
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Rücksicht auf meine Gesundheit zu nehmen.“
    Da führte sie das Glas an ihren Rosenmund, leerte es, wieder ohne eine Miene zu verziehen, und bat mich dann in zutraulichem Ton:
    „Wenn Sie zum Bäcker und Fleischer gehen, so bringen Sie mir etwas mit, Señor. Noble und aufmerksame Gäste pflegen dies stets zu tun.“
    Nicht übel! Vier und eine halbe Mark zahlen, dafür dreimal Mehl- und Sirupwasser, einen Platz in der wahrscheinlich stark bevölkerten Hängematte und dazu die Familie des Wirtes mit Proviant versorgen! Meson de Madrid! Das beste Hotel der Stadt! Oh, Stadtschreiber, Stadtschreiber, deinen guten Rat und deine Empfehlung dieses Hauses in allen Ehren, aber ich will mich doch einmal weiter umsehen!
    Ich ging, natürlich ohne meine verräterische Absicht zu verraten. Volle zwei Stunden lang beschäftigte ich mich mit der Suche nach einem besseren Unterkommen, gelangte aber schließlich zu der Überzeugung, daß der Stadtschreiber recht gehabt hatte, denn gegen die Höhlen, welche ich sah, war der Meson de Madrid ein Prachtpalast. Ich kaufte also für einen Peso Fleisch, welches, unter uns gesagt, ganz leidlich ‚muffig‘ war, nahm vom Bäcker eine Anzahl platter Maiskuchen mit, welche an Stelle unseres Brotes gegessen werden, und wurde infolge dieser Vorräte daheim mit großer Anerkennung empfangen. Die liebe Felisa nahm mir, ohne lange zu fragen, sofort alles ab und brannte das Herdfeuer an, um das Fleisch zu braten. Die drei Jungens bemächtigten sich der Maiskuchen, welche sie wie Knochen zwischen den Zähnen zerknackten, und Doña Elvira richtete sich in der Hängematte empor, aus dem Schlummer geweckt durch den Bratenduft, welcher sich zu verbreiten begann. Leider konnte ich ihr Gesicht nicht erkennen, denn die einzige Lampe, welche es gab, stand fern von ihr auf dem Tisch, an welchem ich Platz genommen hatte. Der Wirt gesellte sich in freundlicher Weise zu mir, schob mir die Dominosteine hin und sagte:
    „Noch einige Spiele bis wir essen, Señor. Es gibt ja nichts zu tun.“
    Wir spielten also, bis gedeckt wurde, das heißt, bis Señorita Felisa mir dasjenige Stück Fleisch, welches am muffigsten gewesen war, ohne Teller und ohne alles, dafür aber mit ihrem sonnigsten Lächeln vorlegte. Die anderen Stücke wanderten mit erstaunlicher Schnelligkeit ihrer Bestimmung entgegen, die leider nicht in meinem hungrigen Magen zu suchen war. Ich hatte mich oder vielmehr man hatte mich aus dem Gast in den Gastgeber verwandelt.
    Eben als ich nach dem letzten Bissen mein Messer am Ärmel abwischte und in den Gürtel zurückschob, kam derjenige, dessen Erscheinen ich mit großer, wenn auch heimlicher Neugierde entgegengesehen hatte, nämlich der Mormone. Der Schein unserer Lampe reichte bis zur Tür, und da ich derselben gegenübersaß, sah ich ihn eintreten. Er verbeugte sich gegen die Ecke hin, in welcher das Bild hing, griff mit den Fingerspitzen in den kleinen Weihwasserkessel, wendete sich erst dann uns zu, um kurz zu grüßen, blieb, als er mich, einen Fremden, erblickte, für einige Augenblicke stehen, mich zu betrachten, kam dann mit raschen Schritten herbei, öffnete das Fremdenbuch, welches noch auf dem Tisch lag, las die mich betreffenden Aufzeichnungen, und zog sich dann, gute Nacht wünschend, in das Dreivierteldunkel, wo die Hängematten für die Gäste angebracht waren, zurück.
    Das war so schnell geschehen, daß es mir unmöglich gewesen war, sein Gesicht genau zu betrachten. Jetzt zeigte es sich, welchen Respekt er dem Wirt eingeflößt hatte, denn dieser sagte in unterdrücktem Ton zu den Seinen:
    „Señor Enriquo will schlafen. Legt euch nieder, und macht keinen Lärm!“
    Die vordere Tür wurde verriegelt; die hintere, nach dem Hof führende, blieb offen. Doña Elvira ließ ihren aufgerichteten Oberkörper wieder niedersinken. Die Jungens krabbelten in ihre große, breite Matte; Señorita Felisa reichte mir die Hand und suchte ihre hänfene Morpheuswiege auf. Der Wirt wünschte mir angenehme Ruhe, blies mir das Licht vor der Nase aus und kroch in seine Rettungsgürtel-Schaukel; ich saß im Dunkeln und fühlte mich ein wenig verblüfft über diese Art, einem neuen Gast die ‚feinste‘ Aufmerksamkeit zu erweisen. Doch machte mir die Sache Spaß, und ich blieb noch eine Weile sitzen, unentschlossen, an welchem Ort ich mich dem Traum in die Arme werfen würde. Bald vernahm ich das kräftige Schnarchen der lieblichen Tochter. Die Mutter stieß die Luft in ganz regelmäßigen
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