Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
37 - Satan und Ischariot I

37 - Satan und Ischariot I

Titel: 37 - Satan und Ischariot I
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
einträgliches Geschäft, wie Sie anzunehmen scheinen. Man kann dabei hungern, daß einem die Seele knackt.“
    „Und da haben Sie nichts anderes gewußt, als in die Fremde zu gehen und Ihre Seele noch lauter knacken zu lassen! Nehmen Sie es mir nicht übel; aber das war eine Dummheit von Ihnen. Es hat nicht jeder solches Glück wie Ihr Namensvetter, der übrigens, ehe er in die Welt ging, ein gelernter Jäger und kein Escritor war.“
    „Ein Namensvetter von mir? Wen meinen Sie?“
    „Ah, ich dachte, Sie wären schon einmal drüben in den Vereinigten Staaten gewesen, in den westlichen Prärien; aber Ihre Frage sagt mir, daß dies nicht der Fall ist, sonst hätten Sie doch einmal von Old Shatterhand gehört.“
    „Old Shatterhand? Den Namen kenne ich. Ich habe, es war wohl in irgendeiner Zeitung, ein Reiseerlebnis gelesen, in welchem dieser Mann vorkam. Er scheint ein Präriejäger oder Pfadsucher, oder wie man diese Leute nennt, zu sein?“
    „Das ist er allerdings. Ich weiß zufälligerweise, daß er ein Deutscher ist, und da Sie mit ihm denselben Namen haben, so kam ich im ersten Augenblick auf die Idee, in Ihnen diesen Old Shatterhand vor mir zu haben, habe aber meinen Irrtum sehr bald eingesehen. Ihre klägliche Lage erbarmt mich, und da ich ein gutes Herz besitze, will ich Ihnen auf die Beine helfen, vorausgesetzt, daß Sie soviel Verstand haben, das Rettungsseil, welches ich Ihnen zu werfe, zu ergreifen und festzuhalten.“
    Eigentlich hätte ich ihm in das Gesicht lachen sollen, behielt aber den bisherigen, sehr bescheidenen Ausdruck des meinigen bei. Die sehr von oben herabkommende Ausdrucksweise des Mormonen hätte mich wohl ärgern sollen; aber es machte mir Spaß, ihn bei seiner Meinung zu lassen, so antwortete ich in aller Gelassenheit:
    „Warum soll ich nicht soviel Verstand haben? Ich bin doch kein Kind, welches eine ihm angebotene Wohltat nicht zu schätzen weiß.“
    „Gut! Wenn Sie auf meinen Vorschlag eingehen, sind Sie aller Sorge enthoben und ein gemachter Mann.“
    „Wenn ich das glauben könnte! Ich bitte Sie, mir diesen Vorschlag schleunigst mitzuteilen!“
    „Nur gemach! Sagen Sie mir vorher, was Sie eigentlich in La Libertad wollen.“
    „Arbeit suchen, mich nach irgendeiner Unterkunft umsehen. Da ich hier in diesem toten Guaymas nichts gefunden habe, so hoffe ich, dort glücklicher zu sein.“
    „Sie irren sich. La Libertad liegt zwar auch an der See, ist aber ein noch viel traurigerer Ort als Guaymas. Hunderte von hungrigen Indianern lungern dort herum, ohne Arbeit zu finden, und Sie wären dort noch viel schlimmer dran als hier. Es ist ein wahres Glück für Sie, daß die Vorsehung Sie auf meinen Weg geführt hat. Sie werden vielleicht gehört haben, daß ich zu den Heiligen der letzten Tage gehöre. Meine Religion gebietet mir, jedes Schaf, welches ich in der Wüste finde, nach dem blühenden Gefilde des Glückes zu bringen, und so ist es meine Pflicht, mich Ihrer anzunehmen. Sprechen und schreiben Sie englisch?“
    „Leidlich.“
    „Das genügt. Und schreiben Sie spanisch vielleicht auch so, wie Sie es sprechen?“
    „Ja; aber in die Interpunktion kann ich mich nicht zurechtfinden, weil im Spanischen die Frage- und Ausrufezeichen nicht nur hinter, sondern auch vor dem Satz stehen.“
    „Das wird sich schon noch finden“, lächelte er von oben herab. „Ich verlange keine Meisterschaft von Ihnen. Haben Sie Lust, Tenedor di libros (Buchhalter) zu werden?“
    Er fragte das mit einer Miene, als ob er mir damit ein Fürstentum anböte; darum antwortete ich im Ton freudiger Überraschung:
    „Tenedor de libros? Wie gern würde ich so eine Stelle annehmen; aber ich bin nicht Kaufmann. Zwar habe ich gehört, daß es eine einfache und eine doppelte Buchführung geben soll, aber ich verstehe nichts davon.“
    „Das ist auch nicht nötig, denn Sie sollen nicht bei einem Kaufmann, sondern auf einer Hazienda angestellt werden. Zwar kann ich die Höhe Ihrer Besoldung nicht bestimmen, da dies Sache des Haziendero ist, aber ich gebe Ihnen die Versicherung, daß Sie sich sehr gut stehen werden. Sie haben alles frei, und ich bin überzeugt, daß Sie monatlich nicht unter hundert Pesos erhalten werden. Hier ist meine Hand. Schlagen Sie ein, und dann fertigen wir gleich heute abend noch den Kontrakt darüber aus!“
    Er hielt mir seine Hand hin. Ich hob die meinige, als ob ich einschlagen wolle, zog sie aber langsam zurück und fragte:
    „Ist es denn wirklich Ihr Ernst, oder scherzen Sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher