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37 - Satan und Ischariot I

37 - Satan und Ischariot I

Titel: 37 - Satan und Ischariot I
Autoren: Karl May
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Wegen geht, braucht sein Tun nicht in ein solches Dunkel zu hüllen.
    Nachdem ich Señorita Felisa geweckt hatte, um zu der berühmten Morgenschokolade zu kommen, machte ich, der ich heute die dreißigste Tasse trank, die nun leider zu spät kommende Entdeckung, daß die Liebliche das Getränk mit demselben Wasser bereitete, mit welchem sie ihre zarten Finger und ihr reizendes Gesicht gewaschen hatte. Ich zollte dieser häuslichen und ganz im verborgenen blühenden Sparsamkeit meine Anerkennung, indem ich vorgab, Magenweh zu haben und darum auf die Schokolade verzichten zu müssen; die Señorita beglückte mich mit einem zärtlichen Augenaufschlag, führte die Tasse an den Mund, trank sie aus, wischte sich mit der Außenseite der Hand die blühenden Lippen und sagte in tief zu Herzen dringendem Ton:
    „Señor, Sie sind der nobelste, der feinste Kavalier, der mir vorgekommen ist, und werden, wenn Sie heiraten, Ihre Señora sehr glücklich machen. Jammerschade, daß Sie abreisen. Könnten Sie denn nicht hier bleiben?“
    „Wünschen Sie das vielleicht?“ fragte ich neckisch.
    „Ja“, antwortete sie unter einem leichtem Erröten.
    „Und was ist die Ursache dieses Wunsches, Señorita? Das Glück, von dem Sie soeben sprachen, oder die Schokolade, welche ich Ihnen so gern abgetreten habe?“
    „Beides“, hauchte sie mit entzückender Wahrheitsliebe.
    Wahrscheinlich erwartete sie, daß ich den Anfang dieses Morgengespräches zu einem glücklichen Ende führen werde, leider aber hielt ich die Anschaffung eines neuen Anzugs für weit dienlicher als eine Stegreifverlobung, und ging, um einen Baratillero aufzusuchen. Der Laden desselben glich einer wahren Trödelbude, doch fand ich glücklicherweise, was ich suchte, Hose, Weste und Jacke von ungebleichtem Linnen und einen Strohhut, dessen Krempe so breit war, daß, falls ich auf die Absicht der Señorita Felisa eingegangen wäre, ich mit ihr und sämtlichen Hochzeitsgästen darunter Platz gefunden hätte. Auch kaufte ich ein Stück billigen Stoffes, um mir mit Hilfe von Nadel und Zwirn, welch beides ich stets bei mir führte, ein Futteral für meine Gewehre anzufertigen. Das hatte einen guten Grund: Der Mormone sollte mich noch für einige Zeit für den Menschen halten, für den er mich bisher gehalten hatte. Da er viel von Old Shatterhand gehört zu haben schien, war es leicht möglich, daß er auch wußte, was für Gewehre derselbe bei sich führte, und darum sollte er sie wenigstens nicht genau zu sehen bekommen. Auch ein Paar derbe Lederschuhe kaufte ich mir. Als ich dann, mit solcher Eleganz ausgestattet, in das Hotel zurückkehrte, schlug Don Geronimo vor Verwunderung die Hände zusammen und rief aus:
    „Was erblicke ich! Sind Sie plötzlich reich geworden? Sie können sich ruhig an der Seite jedes altkastilianischen Edelmannes sehen lassen, Señor. Leider sind Sie fest entschlossen, abzureisen; aber hätte ich Sie eher in dieser Kleidung gesehen, so hätte ich Ihnen eine Stelle als Mayordomo meines Hauses angeboten, und vielleicht wären Sie sogar Kompagnon geworden!“
    Mein Anblick schien wirklich bezaubernd zu sein, denn Señorita Felisa legte die Hand auf das Herz und ließ einen tiefatmigen Puster hören, und selbst Doña Elvira richtete sich ein wenig in ihrer Hängematte auf, um mir einen Blick zu schenken und dann mit einem beifälligen Seufzen wieder niederzusinken. Ich schien ein der Damenwelt höchst gefährliches Individuum geworden zu sein, und da ich dies unmöglich auf Rechnung meiner inneren oder äußeren Vorzüge setzen konnte, so war ich geneigt, dem Leinenanzug, welcher nach deutschem Geld elf Mark gekostet hatte, Zauberkraft zuzuschreiben. Leider blieb er mir nur kurze Zeit treu, da er sehr bald aus den Nähten ging und sich in den verschiedensten Fetzen und Stücken nach den verschiedensten Windrichtungen verlor. Ich hätte mir sicher etwas Besseres und Haltbareres angeschafft, wollte aber Harry Melton nicht wissen lassen, daß ich dazu die Mittel besaß.
    Es war gegen Mittag, als dieser in das Gasthaus kam, um mich abzuholen, denn das Schiff war angekommen. Es hatte, ohne in den Hafen einzusegeln, draußen vor demselben beigedreht, um ihn aufzunehmen. Wir mußten uns also eines Bootes bedienen, um an Bord zu kommen.
    Der Abschied von meinen freundlichen Wirtsleuten war rührend. Don Geronimo beging die Heldentat, mir sein Dominospiel als Andenken anzubieten, und schluchzte beinahe vor Wonne, als ich dieses Opfer nicht annahm. Die drei
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