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37 - Satan und Ischariot I

37 - Satan und Ischariot I

Titel: 37 - Satan und Ischariot I
Autoren: Karl May
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ihrer Kräfte angelangt. Rechts hatte ich den ganzen Absatz verloren; links war mir der halbe geblieben, und wenn ich vorn die offenherzigen Spitzen betrachtete, so mußte ich, ich mochte wollen oder nicht, an aufgesperrte Entenschnäbel denken. Und nur gar der Hut! In glücklicheren Zeiten Sombrero, das heißt Schattenspender, genannt, hatte er jetzt verräterischerweise auf diese Ehrentitulatur vollständig Verzicht geleistet. Die erst so breite Krempe war, ich kann selbst heute noch nicht sagen, auf welche Weise und aus welcher Veranlassung, nach und nach immer abwesender geworden, und das, was mir als treues Überbleibsel nun auf dem Kopf saß, hatte die Form eines türkischen Fes und hätte sich, aufrichtig gestanden, ganz vortrefflich zum Tintenseiher geeignet. Nur der lederne Gürtel, mein langjähriger Begleiter, hatte auch diesmal seine unerschütterliche Charakterfestigkeit bewiesen. Von Teint, Frisur und anderen Intimitäten zu sprechen würde diejenige Achtung verletzen, welche man seiner eigenen Person unter allen Umständen zu widmen hat.
    Indem ich langsam die Straße entlang ging und bald nach rechts, bald nach links sah, um ein menschliches Wesen zu entdecken, erblickte ich ein Gebäude, aus dessen niedrigem Dach zwei Stangen ragten, welche ein hölzernes Firmenschild trugen. Es zeigte in einst weißen, nun verwitterten Buchstaben auf dunklem Grund die verlockenden Worte ‚Meson de – – –‘, das übrige war nicht mehr zu lesen. Als ich dastand, um den Rest der Schrift zu entziffern, war endlich der Schritt eines Menschen zu hören. Ich drehte mich um und sah einen Mann, der sich näherte und an mir vorüber wollte. Ich grüßte ihn höflich und fragte ihn, welches Gasthaus wohl das empfehlenswerteste dieser guten Stadt sei. Er deutete auf das Gebäude, vor welchem ich stand, und antwortete:
    „Gehen Sie nicht weiter, Señor. Dieses Hotel ist das nobelste, welches wir haben. Im Schild fehlt zwar jetzt das Wort Madrid, Ihnen aber wird nichts mangeln, wenn Sie sich dem Wirt, Don Geronimo, anvertrauen. Sie können sich auf meine Empfehlung verlassen, denn ich bin der Escribano (Stadtschreiber) von Guaymas und kenne alle Leute. Vorausgesetzt ist natürlich, daß Sie bezahlen können.“
    Er warf sich bei Nennung seines wichtigen Amtes in die Brust und betrachtete mich dann mit einem Blick, welcher mir deutlich sagte, was er von mir dachte, nämlich daß ich höchstwahrscheinlich im Ortsgefängnis besser aufgehoben sei als im Hotel. Dann schritt er in würdevoller Haltung weiter; ich aber wendete mich im Vertrauen auf die Empfehlung einer solchen Berühmtheit nach der offenen Tür des Gasthauses. Ich wäre auch ohnedies hier eingekehrt, da ich müde war und keine Lust hatte, mich der Glut der Mittagssonne länger auszusetzen.
    Das nobelste Hotel der Stadt! Meson de Madrid! Gute Zimmer, saubere Betten, schmackhafte Speisen! Das Wasser lief mir im Munde zusammen. Ich trat ein und befand mich sofort in – ‚sämtlichen Räumlichkeiten‘. Das soll nämlich heißen, daß das Hotel nur aus diesem einen Raum bestand. Vorn trat man von der Straße her ein, und gegenüber führte eine Tür nach dem Hof. Andere Öffnungen oder gar Fenster gab es nicht. Neben der hinteren Tür stand der rußgeschwärzte, steinerne Herd, so daß der Rauch sich dort pfiffigerweise gleich aus dem Staub machen konnte. Hartgeschlagener Lehm bildete den Boden. In denselben eingetriebene Pfähle und darauf genagelte Bretter bildeten die Tafeln, Tische und Bänke. Stühle gab es nicht. An der Mauer links hingen Hängematten, welche die Gastbetten vorstellten, aber auch sonst von jedermann nach Belieben benutzt werden konnten. An der anderen Wand, rechter Hand stand das Büfett, welches allem Anschein nach aus einigen alten Kisten zusammengezimmert worden war. Daneben gab es wieder einige Hängematten, welche den Buen retiro der Familie des Hoteliers bildeten. In einer derselben lagen schlafend drei Jungens, deren Arme und Beine so ineinander verwickelt waren, daß es eines sehr tiefen Studiums bedürft hätte, um sagen zu können, welche Extremitäten zu jedem Körper gehörten. In der zweiten ruhte die Tochter des Wirtes, Señorita Felisa. Sie zählte, wie sie mir anderentags sagte, sechzehn Sommer, schnarchte aber wie ein Unisono von sechzehn Winterstürmen. In der dritten Hängematte hielt die Wirtin ihr Mittagsschläfchen. Doña Elvira genannt, hatte sie eine Länge von sechs Schuh und fünf Zoll. Ihr Gatte teilte mir
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