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37 - Satan und Ischariot I

37 - Satan und Ischariot I

Titel: 37 - Satan und Ischariot I
Autoren: Karl May
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sich geflissentlich bemühte, mir nicht zu zeigen, daß ich keinen angenehmen Eindruck auf ihn machte. Dieser Eindruck war freilich ein gegenseitiger.
    Ich wartete, wie bereits gesagt, auf ein Schiff, und er schien nach der Mitteilung, welche der Wirt mir gemacht hatte, der Ankunft eines solchen gewiß zu sein. Dennoch wendete ich mich nicht an ihn, um eine Erkundigung einzuziehen, denn es war mir ganz so, als ob ich einmal in Beziehung zu ihm getreten, nicht wieder von ihm loskommen könne. Es war ja klar, daß ich mich nur an den Kapitän zu wenden brauchte, um als Passagier an Bord gehen zu dürfen. Aber es kam doch anders, als ich beabsichtigte. Als er am Abend des fünfzehnten Tages in das Hotel kam, suchte er nicht wie gewöhnlich sofort seine Hängematte auf, sondern setzte sich zu uns, nämlich zu dem Wirt und mir, denn es verstand sich ganz von selbst, daß wir beide wieder an der Tafel saßen und Domino spielten. Es war mir nach langen, vergeblichen Bemühungen endlich gelungen, den kleinen Don Geronimo eine Partie gewinnen zu lassen. Er zeigte sich sehr entzückt darüber und sagte:
    „Jetzt ist der Bann gebrochen, Señor. Sie geben doch zu, daß ich eigentlich weit besser spiele als Sie, aber das Unglück hat mich bisher auf eine noch gar nicht dagewesene Weise verfolgt. Sie erwischten stets die besten Steine, während ich nur solche bekam, mit denen absolut nichts anzufangen war. Nun aber soll es anders werden, und ich werde Ihnen zeigen, wie sehr ich Ihnen überlegen bin. Fangen wir gleich wieder an!“
    Er wendete die Steine um und mischte zum neuen Spiel. Ich antwortete nicht und hatte die Absicht, ihn, wenn irgend möglich, auch die nächste Partie gewinnen zu lassen; da aber nahm der Mormone zum erstenmal das Wort, um ihm zu sagen:
    „Was fällt Ihnen ein, Señor! Haben Sie denn nicht bemerkt, daß Ihr Gegner sich förmlich Mühe gegeben hat, Fehler zu machen und Sie die Partie gewinnen zu lassen? Sie werden in Ihrem ganzen Leben nicht so spielen lernen, wie er spielt.“
    Das war grob. Dazu kam, daß er sich des einfachen Ausdruckes Señor bedient hatte, während der kleine Mann gewohnt war und sehr viel darauf gab, Don Geronimo genannt zu werden. So höflich der Wirt sonst war und so großen Respekt er vor dem Mormonen hatte, jetzt gab er eine scharfe Antwort, auf welche eine ebenso scharfe Gegenrede folgte. Die beiden gerieten in Streit, was zur Folge hatte, daß Geronimo die Steine einpackte und den Tisch verließ, um sich in seine Hängematte zu legen. Das Auge des Mormonen folgte ihm mit einem befriedigten Blick, aus welchem ich schloß, daß er den Streit vom Zaun gebrochen hatte, um den Wirt zu entfernen und mit mir allein zu sein.
    ‚Er will mit dir reden‘, dachte ich und hatte mich nicht geirrt, denn kaum hatte sich der Kleine in seiner Hängematte zusammengerollt, so wendete Melton sich an mich:
    „Sie wohnen schon seit fünfzehn Tagen hier. Beabsichtigen Sie, in Guaymas zu bleiben?“
    Er sprach nicht im Ton einer höflichen Erkundigung. Ich fühlte, daß er freundlich sein wollte, aber er brachte dies nicht fertig, und so klang seine Frage wie diejenige eines Beamten oder Vorgesetzten, welcher zu einer tief unter ihm stehenden Person spricht.
    „Nein“, antwortete ich. „Ich habe hier nichts zu suchen.“
    „Wo wollen Sie hin?“
    „Vielleicht nach La Libertad.“
    Ich nannte diese Stadt, weil in ihrer Nähe Lobos lag, wohin das von ihm erwartete Schiff, wie ich gehört hatte, segeln wollte.
    „Wo kommen Sie her?“
    „Von der Sierra Verde herunter.“
    „Was haben Sie dort gemacht? Vielleicht Gold gesucht? Haben Sie welches gefunden?“
    „Nein“, berichtete ich ihm der Wahrheit gemäß, ohne auf seine Erkundigung weiter einzugehen.
    „Das dachte ich mir. Man sieht es Ihnen an, daß Sie ein armer Teufel sind. Sie haben überhaupt ein sehr unglückliches Metier gewählt.“
    „Wieso?“
    „Nun, ich habe im Fremdenbuch gefunden, daß Sie Escritor sind, und weiß, daß es in diesem Fach meist nur verkommene Existenzen gibt. Wie konnten Sie sich in diese Gegend wagen! Sie sind ein Deutscher. Wären Sie in Ihrem Vaterland geblieben, so könnten Sie dort für Leute, welche mit der Feder nicht umzugehen wissen, Briefe schreiben, Rechnungen anfertigen und durch ähnliche Arbeiten sich wenigstens so viel verdienen, daß Sie nicht zu hungern brauchten!“
    „Hm!“ brummte ich, indem ich ihn nicht merken ließ, daß er mich belustigte; „das Briefschreiben ist kein so
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