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Die Pforten Des Hades

Die Pforten Des Hades

Titel: Die Pforten Des Hades
Autoren: Steven Saylor
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ERSTER TEIL
    Leichen, tot und lebendig
     
    EINS
    Trotz all seiner feinen Eigenschaften - seiner Ehrlichkeit und Hingabe, seiner Intelligenz und einer fast unheimlichen Behändigkeit - war Eco denkbar ungeeignet, Besucher an der Tür zu empfangen. Denn Eco war stumm.
    Taub jedoch ist er nie gewesen. Vielmehr hat er die schärfsten Ohren von allen Menschen, die ich kenne. Außerdem hat er einen leichten Schlaf, eine Angewohnheit, die ihm aus unglücklichen und wachsamen Kindheitstagen geblieben ist, bevor ihn seine Mutter verließ, ich ihn von der Straße auflas und schließlich adoptierte. Deshalb nahm es nicht wunder, daß Eco in der zweiten Stunde nach Einbruch der Dunkelheit das Klopfen an der Haustür hörte, als alle anderen Hausbewohner schon zu Bett gegangen waren. Es war Eco, der meinen nächtlichen Besucher empfing und ihn, unfähig, ihn fortzuschicken, um ein Haar wütend angezischt hatte wie ein Bauer, der eine entlaufene Gans von der Schwelle scheuchen will.
    Was also hätte der Junge tun sollen? Er hätte Belbo, meinen Leibwachter, wecken können. Mit seiner massigen Gestalt und seiner Knoblauchfahne, einfältig den Schlaf aus den Augen reibend, hätte Belbo meinen Besucher vielleicht einschüchtern können, doch ich bezweifle, daß er ihn losgeworden wäre, denn der Fremde war hartnäckig und doppelt so schlau wie Belbo stark. Also tat Eco, was er tun mußte; er bedeutete meinem Besucher, auf der Schwelle zu warten, und klopfte dann leise an meine Tür. Nachdem es ihm so nicht gelungen war, mich zu wecken - Üppige Portionen von Bethesdas Fisch-und-Graupen-Suppe sowie reichlich Weißwein zum Nachspülen hatten mich schnell in einen tiefen Schlaf sinken lassen -, öffnete er behutsam die Tür, schlich auf Zehenspitzen in meine Kammer und rüttelte sanft an meiner Schulter.
    Neben mir rührte sich die schlafende Bethesda und seufzte.
    Ihr langes, volles, schwarzes Haar war irgendwie auf meinem Gesicht zu liegen gekommen, und die Strähnen kitzelten meine Nase und Lippen. Der Duft von parfümiertem Henna löste einen leichten erotischen Schauer in meinen Lenden aus. Ich streckte meinen Arm nach ihr aus, schürzte die Lippen zu einem Kuß und strich mit der Hand über ihren Körper. Dabei fragte ich mich, wie es möglich war, daß sie gleichzeitig von hinten an meiner Schulter zerrte.
    Eco haßte es, jene grunzenden, halb tierischen Laute der Stummen auszustoßen, die er erniedrigend und peinlich fand. Er zog es vor, wie die Sphinx völlig still zu bleiben und seine Hände für sich sprechen zu lassen. Er packte meine Schulter ein wenig fester und rüttelte sie heftiger. Da erkannte ich seinen Griff, so sicher wie man eine vertraute Stimme erkennt. Ich verstand sogar, was er sagte.
    »Jemand an der Tür?« murmelte ich, mich räuspernd und die Augen noch einen Moment geschlossen haltend.
    Eco gab meiner Schulter einen zustimmenden Klaps, seine Art, im Dunkeln »ja« zu sagen.
    Ich kuschelte mich an Bethesda, die dem Störenfried den Rücken zugewandt hatte, und strich mit den Lippen sanft über ihre Schulter. Sie atmete tief, ein Geräusch irgendwo zwischen Gurren und Seufzen. Auf allen meinen Reisen von den Säulen des Hercules bis an die parthische Grenze habe ich nie eine sinnlichere Frau getroffen. Wie eine kunstfertig gebaute Leier, dachte ich bei mir, perfekt gestimmt und poliert und mit den Jahren immer kostbarer; du kannst dich glücklich schätzen, Gordianus der Sucher, vor fünfzehn Jahren auf einem Sklavenmarkt in Alexandria dieses Juwel gefunden zu haben.
    Irgendwo unter dem Laken rührte sich das Kätzchen. Bethesda hat, ganz Ägypterin, stets Katzen gehalten und auch mit ins Bett genommen. Bisher hatte unsere jüngste Bettgenossin ihre Krallen noch eingezogen, und das war gut so, weil mein verwundbarster Körperteil in den letzten Momenten unübersehbar größer geworden war, und genau darauf schien es die Katze abgesehen zu haben, vielleicht weil sie es für eine Schlange hielt, mit der man spielen konnte. Ich kuschelte mich Schutz suchend an Bethesda. Sie seufzte. Ich dachte an eine regnerische Nacht vor mindestens zehn Jahren - eine andere Katze, ein anderes Bett, doch dasselbe Haus, das Haus, das mein Vater mir hinterlassen hat, und wir beide, jünger zwar, aber sonst nicht viel anders als heute. Ich döste und hatte mich fast in meinem Traum verloren.
    Ich spürte zwei kräftige Klapse auf meiner Schulter.
    Zweimal, das bedeutete bei Eco »nein« genau wie Kopfschütteln. Eco wollte oder
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