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Die Pforten Des Hades

Die Pforten Des Hades

Titel: Die Pforten Des Hades
Autoren: Steven Saylor
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Sie standen dicht beieinander, hellwach, und sprachen leise miteinander. Ich drehte mich um und erblickte den Steuermann auf seinem Posten, ein bärtiger Riese, der nichts zu sehen und zu hören schien außer dem Fluß. Eco hockte in der Nähe über das Schanzwerk gebeugt und blickte ins Wasser wie eine Narziß-Statue, die unter dem Sternenhimmel ihr Spiegelbild betrachtet.
    Schließlich wurde Mummius Schnarchen leiser und vermischte sich mit dem Geräusch des an die Planken klatschenden Wassers und dem gleichmäßigen, rhythmischen Atmen der Ruderer, doch die tiefe, heilsame Umarmung des Morpheus blieb mir verwehrt. Ich wälzte mich mit meinen Decken von einer Seite auf die andere, bald war mir zu heiß, bald zu kalt, während meine Gedanken in Sackgassen liefen und beim Umkehren ihre eigenen Wege kreuzten. Dieser Halbschlaf machte mich träge, ohne daß ich Ruhe fand, eine Regungslosigkeit, die keine Erholung brachte; als wir schließlich Ostia und das offene Meer erreichten, war ich ein matterer Mann als der, den Marcus Mummius vor Stunden aus seinem warmen Bett gelockt hatte. In meinen schlaftrunkenen Fantasien seltsam  abgekoppelt von Zeit und Raum, stellte ich mir vor, daß die Nacht nie enden würde und wir auf ewig durch die Dunkelheit fahren mußten.
    Mummius führte uns von der Barkasse auf einen Pier. Die Leibwächter kamen mit uns, während die vor Erschöpfung keuchenden Ruderer zurückblieben. Ich sah mich kurz nach ihnen um, ihre breiten, nackten Rücken bebten und glänzten schweißnaß im Sternenlicht. Einer von ihnen beugte sich über den Bug und erbrach sich. Irgendwann unterwegs hatte ich aufgehört, ihr stoßweises Atmen und das gleichmäßige Knirschen der Ruder wahrzunehmen; ich hatte sie völlig vergessen, wie man die Rädchen einer stampfenden Maschine vergißt. Wer bemerkt schon ein Rad, bis es Öl braucht, wer einen Sklaven, bis er krank, hungrig oder gewalttätig wird? Ich schauderte und zog die Decken enger um meine Schultern, um die kalte Seeluft abzuwehren.
    Mummius führte uns am Hafen entlang. Ich hörte das leise Plätschern der Wellen gegen die Holzpfeiler der Uferpromenade. Zu unserer Rechten lag eine kleine Flotte von Flußschiffen an den Docks vertäut. Links von uns zog sich eine flache Mauer, gestapelte Körbe und Kisten warfen verwirrende Schatten. Jenseits der Mauer lag die schlafende Stadt Ostia. Hier und da konnte ich in einem der oberen Stockwerke ein erleuchtetes Fenster erkennen, und in die Stadtmauer waren in regelmäßigen Abständen Lampen eingelassen, aber außer uns war keine Menschenseele zu sehen. Licht- und Schattenspiele täuschten das Auge; ich glaubte, eine Bettlerfamilie zusammengekauert in einer Ecke zu erkennen und eine Ratte, die aus dem Bündel auf mich zugehuscht kam, bevor sich das Bild vor meinen Augen in nichts weiter als ein paar Lumpenfetzen auflöste.
    Ich stolperte über eine lose Planke. Eco faßte meine Schulter, um mich zu halten, bevor mich Mummius mit einem Klaps auf den Rücken fast niederstreckte. »Hast du nicht gut geschlafen?« bellte er mir mit seiner Kasernenhofstimme ins Ohr. »Mir reichen zwei Stunden am Tag. In der Armee lernt man, im Stehen zu schlafen oder sogar auf einem Marsch, wenn es sein muß.«
    Ich nickte träge. Wir kamen an Lagerhäusern und Landungsstegen vorbei, passierten geschlossene Märkte und Werften. Der Salzgeruch in der Luft wurde kräftiger, das undeutliche Rauschen des Meeres vermischte sich mit dem gleichmäßigen Plätschern des Flusses. Wir erreichten das Ende der Docks, wo der Tiber plötzlich breiter wird und ins Meer mündet. Die Stadtmauer wand sich nach Süden, und vor uns erstreckte sich eine riesige, glatt unter den Sternen daliegende Wasserfläche. Hier wartete ein anderes, größeres Boot auf uns. Mummius geleitete uns über den Steg und in den Laderaum. Er bellte dem Aufseher einen Befehl zu, und wir legten ab.
    Der Landungssteg wurde kleiner, die Wellen um uns herum größer. Eco warf mir einen alarmierten Blick zu und packte meinen Ärmel. »Keine Angst«, sagte ich. »Wir werden nicht lange auf diesem Boot bleiben.«
    Wenig später umrundeten wir eine felsige Landzunge, und das Schiff kam in Sicht. »Eine Triere!« flüsterte ich.
    »Sie heißt die Furie«, sagte Mummius, meine Überraschung bemerkend, mit einem stolzen Lächeln.
    Ich hatte ein großes Schiff erwartet, aber nicht so groß wie dieses. Auf seinem Deck erhoben sich drei Mäste mit aufgetollten Segeln. Drei Reihen Ruder ragten aus
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