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Die Pforten Des Hades

Die Pforten Des Hades

Titel: Die Pforten Des Hades
Autoren: Steven Saylor
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konnte meinen Besucher nicht wegschicken.
    Wieder klopfte er mir zweimal hart auf die Schulter. »Schon gut, schon gut!« murmelte ich. Ärgerlich wendete Bethesda sich ab, das Laken mit sich reißend, so daß ich der feuchten Septemberluft schutzlos ausgeliefert war. Das Kätzchen kam auf mich zugerollt und streckte, Halt suchend, die Krallen aus.
    »Numas Eier!« schrie ich, obwohl es nicht der legendare König Numa war, der sich durch eine winzige Kralle verwundet sah. Eco ignorierte meinen Schmerzensschrei diskret, während Bethesda im Dunkeln schläfrig lachte.
    Ich sprang aus dem Bett und tastete nach meiner Tunika. Eco hielt sie bereits in der Hand, damit ich hineinschlüpfen konnte.
    »Wehe, wenn das nicht wichtig ist!« knurrte ich.
    Es war wichtig, obwohl ich in jener Nacht und noch eine ganze Zeit danach nicht ahnen konnte, wie wichtig. Hätte sich der Gesandte, der in meiner Halle wartete, deutlich erklärt, hätte er offen gesagt, warum und in wessen Namen er hier war, ich hätte mich seinen Wünschen gefügt, ohne auch nur einen Moment zu zögern. Einen Fall und einen Klienten, wie sie mir in jener Nacht in den Schoß fielen, bekommt man nur alle Jubeljahre einmal; ich hätte um die Chance gekämpft, diesen Auftrag zu bekommen. Start dessen umgab sich der Mann, der sich knapp als Marcus Mummius vorstellte, mit einer Aura andeutungsvoller Heimlichtuerei und begegnete mir mit einem Argwohn, der an Geringschätzung grenzte.
    Er erklärte mir, daß man meine Dienste benötigte, und zwar sofort, für einen Auftrag, der mich einige Tage aus Rom fortführen würde. »Hast du irgendwelchen Ärger?« fragte ich.
    »Nicht ich!« fuhr er mich an. Er schien überhaupt unfähig, in einem Tonfall zu sprechen, der einem schlafenden Haus angemessen gewesen wäre. Er stieß seine Worte grunzend und knurrend hervor, so wie man mit einem unbotmäßigen Sklaven oder einem unfolgsamen Hund redet. Solcherart gesprochen, gibt es keine häßlichere Sprache als die lateinische -im Kasernenhofton, meine ich, denn so schlaftrunken und betäubt vom Wein ich auch war, begann ich doch bestimmte Schlußfolgerungen über meinen unerwünschten Besucher zu ziehen. Hinter seinem sorgfältig gestutzten Bart, seiner schlichten, aber teuer aussehenden, schwarzen Tunika, den edel verarbeiteten Stiefeln und dem vornehmen wollenen Umhang verbarg sich zweifelsohne ein Militär, ein Mann, der es gewohnt war, daß seinen Befehlen unverzüglich Folge geleistet wurde.
    »Also«, sagte er, während er mich musterte wie einen frisch aus dem Bett gejagten, trägen Rekruten, der sich um den Tagesmarsch drücken wollte, »kommst du nun oder nicht?«
    Empört über so viel Unhöflichkeit, stemmte Eco seine Faust in die Hüfte und starrte den Mann wütend an. Mummius warf den Kopf zurück und schnaubte ungeduldig.
    Ich räusperte mich. »Eco«, sagte ich, »hol mir einen Becher Wein, bitte. Aufgewärmt, wenn es geht; sieh nach, ob die Glut in der Küche noch brennt. Für dich auch einen Becher, Marcus Mummius?« Mein Gast sah mich finster an und schüttelte dann entschieden den Kopf wie ein pflichtbewußter Legionär im Dienst.
    »Vielleicht ein wenig warmen Apfelmost? Wirklich, Marcus Mummius, ich muß darauf bestehen. Die Nacht ist kühl. Komm mit in mein Arbeitszimmer. Eco hat bereits die Lampen angezündet; er ahnt all meine Wünsche. Nimm Platz - bitte. Ich nehme an, du bist hier, um mir Arbeit anzubieten.«
    Im helleren Licht meines Arbeitszimmers sah ich, daß Mummius ausgelaugt und erschöpft wirkte, als hätte er seit längere Zeit nicht mehr richtig geschlafen. Er rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her, während sein Blick ruhelos und unnatürlich wachsam durch den Raum wanderte. Nach einer Weile sprang er auf und begann, im Zimmer auf und ab zu laufen, und als Eco mit dem aufgewärmten Apfelmost kam, weigerte er sich, davon zu trinken. Genauso würde ein Soldat auf einer langen Wacht davor zurückschrecken, es sich bequem zu machen, aus Angst, der Schlaf könne ihn übermannen.
    «Ja«, sagte er schließlich, »ich bin gekommen, dich zum Dienst zu zitieren -«
    »Mich zum Dienst zu zitieren? Niemand zitiert Gordianus den Sucher zum Dienst. Ich bin ein freier Bürger, niemandes Sklave oder Freigelassener, und als ich gestern abend zu Bett ging, war Rom - erstaunlicherweise - noch immer eine Republik und keine Diktatur. Andere Bürger konsultieren mich, bitten um meine Dienste, engagieren mich. Und normalerweise kommen sie bei Tageslicht.
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