Cool
oder?«
»Er ist der Besitzer, aber er hat ihn seit sechs Monaten an mich untervermietet.«
»Er wohnt doch aber noch in der Wohnung über dem Laden?«
»Nein, er ist umgezogen.«
»Wissen Sie, wo ich ihn erreichen kann?«
»Im Moment? Nein, aber er kommt regelmäßig hier vorbei. Ich erwarte ihn heute nachmittag. Wollen Sie ihm eine Nachricht hinterlassen?«
»Nein, es ist persönlich. Ist seine Frau noch immer Krankenschwester?«
»Ja, aber auch sie ist nicht da.«
»Vielen Dank für ihre Bemühungen.«
»Nichts zu danken.« Devésa ahnt nicht, wer diese Frau ist. Er sieht sie nicht in den blauen Renault einsteigen, der gegenüber dem Fotoladen steht, und in dem drei Polizisten sitzen.
Albert und Audi betreten das Geschäft kurz vor zwölf Uhr. Devésa erzählt von der Besucherin, und Albert meint: »Keine Ahnung, wer das gewesen sein kann.« Er greift zum Geschäftstelefon und bestellt Hühnerfutter für seine Farm. Dann geht er mit seiner Frau gegenüber in das Lokal >Roi du Yan<, das berühmt ist für seine »Spaghetti à la Maison<. Beim Café setzt sich Jean Yves Goutron zu ihnen, einer der Kriegskameraden von Albert in Vietnam. Er hat als Erinnerung an den Indochinakrieg ein zerschoßenes Bein zurückbehalten und hinkt deswegen. Spaggiari erzählt ihm von seinem Trip nach Südostasien. Als Albert gerade von dem bunten Markttreiben in Hongkong schwärmt, unterbricht ihn der Ober: »Monsieur Spaggiari, draußen wartet eine Dame auf sie.« Albert zieht die Augenbrauen hoch und legt die Zigarre in den Aschenbecher: »Vielleicht ist das die geheimnisvolle Frau von heute morgen. Entschuldigt mich einen Augenblick.«
Er geht hinaus und auf die Frau zu. Da nehmen ihn plötzlich zwei Kripobeamte in die Mitte und führen ihn zu ihrem Wagen. Alles geschieht blitzschnell. Einer seiner Freunde sieht es und schreit: »Audi, jemand hat Bert entführt!«
Eine völlig erschrockene Audi ruft die Polizei an und berichtet über die Entführung. Da jedoch muß sie erfahren, daß ihr Mann nicht entführt, sondern verhaftet worden ist. Und die Polizei sei ihr außerdem sehr dankbar, wenn sie auch auf dem Kommissariat erscheine, um einige Fragen zu beantworten.
Das Verhör von Albert Spaggiari beginnt am 27. Oktober um halb drei.
Dies ist der erstaunlichste Teil der Geschichte vom Jahrhundertbankraub, und er bildet das verblüffendste Rätsel, das diesen Fall umgibt.
Eine Razzia, an der fünfhundert Polizisten beteiligt sind, bei der in acht Städten fünfunddreißig Verhaftungen durchgeführt werden, kann nicht geheim bleiben. Am Dienstagabend gibt es in allen Bars und Restaurants von Nizza nur ein Thema: diese Polizeiaktion. Am Mittwochmorgen fährt >Nice Matin< die Story groß auf der Titelseite. Die Öffentlichkeit weiß nicht, daß die Aktion nicht erfolgreich war. Was Nizza betrifft, so hat die Polizei angeblich die >Kanalratten< gefaßt.
Spaggiari muß also von der Razzia gewußt haben. Die Freunde, Verwandten, Frauen und Freundinnen der Verhafteten sind spätestens um sieben Uhr morgens informiert. Aber einen Albert Spaggiari rührt das nicht - er tut, als ob ihn das alles nichts anginge.
Er hätte das Land verlassen können, er hätte fliehen können. Wenn ihm das zu schnell gegangen wäre, hätte er bei einem Freund oder in einem Hotel oder in der Unterwelt Unterschlupf finden können.
Statt dessen fährt er nach Nizza, geht in seinen Laden und führt seine Frau in das Restaurant, wo er Stammgast ist. Leichter kann er es der Polizei nicht machen. Genausogut kann er sich persönlich auf dem Kommissariat in der Avenue Foch Nummer 1 melden.
Es ist möglich, daß er nicht genau weiß, wer alles verhaftet worden ist. Vielleicht weiß er aber auch, daß die beiden Hohlköpfe Pellegrin und Bournat festgenommen sind. Dann muß er in jedem Fall mit dem Schlimmsten rechnen. Aber er denkt nicht einmal daran, sich ein Alibi zu verschaffen. Es sieht ganz so aus, als ob er verhaftet werden will. Es kann aber auch sein, daß er sich aus irgendwelchen Gründen für unverwundbar, für unangreifbar hält. Er wird im Nonstop-Verfahren siebenunddreißig Stunden lang verhört. Und alles, was er sagt, ist: »Nein!«
Die Kripoleute wechseln sich beim Verhör ab. Sie machen Pausen, trinken Kaffee, essen Sandwiches und schlafen zwischendurch. Albert muß die ganze Zeit wachbleiben. Ruhig, beinahe phlegmatisch beantwortet er ihre Fragen. Er überhört ihre häufigen Zusagen einer geringeren Bestrafung, wenn er geständig
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