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Cool

Cool

Titel: Cool
Autoren: Ken Follett
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diese Art von Verkleidung nicht zulassen. Davon abgesehen ist Spaggiari kein Mörder oder ein Volksfeind. Er ist ein >einfacher< Bankräuber, der für seinen Ruf einiges getan hat. Jahrzehnte sind vergangen, seit er in seiner wilden Jugend davon geträumt und es sogar vorbereitet hat: General Charles de Gaulles zu exekutieren und weitere Terroranschläge für die äußerste Rechte in Frankreich auszuführen. Und selbst wenn Spaggiari aufgehört hat, der Obrigkeit ins Gesicht zu spucken, hat er niemals aufgehört, über sie zu lachen.
    Die Vermummten strecken sich, atmen durch und tragen den Leichnam vom Peugeot zum Seiteneingang von Madame Juliette Clèment’s altem Bauernhaus. Die Besitzerin und einzige Bewohnerin des Gebäudes, Madame Clément, ist Spaggiari’s Mutter. Sie lebt hier seit 55 Jahren. Damals war Klein-Albert zwei Jahre alt.
    An diesem Junimorgen schläft sie tief, als der Wagen vorfährt.
     
    Die zwei Einbrecher haben keine Schwierigkeit, ins Haus zu gelangen. Sie tragen den Körper durch die Finsternis und suchen nach dem Küchentisch, ohne Licht zu machen. Vorsichtig legen sie den Toten ab. So wie in einer Leichenhalle, nur ohne Sarg und ohne Blumen. Und still und heimlich schleichen sie sich wieder aus der Küche und aus dem Haus. Die Türen des Peugeot schlagen zu und der Fahrer gibt Gas. Die alte Frau wacht vom Lärm des Wagens auf, und es dauert nicht lange, dann findet sie den Toten in ihrer Küche. Madame Clement hat ihren Sohn Jahre nicht gesehen. Aber hier liegt er nun - auf einem Tisch.
     
    Später am Tag, gegen Mittag, stehen die Polizisten von Hyères und andere französische Beamte in der Küche der trauernden Mutter. Sie kümmern sich um die Bestattung, nachdem sie Albert Spaggiari fotografiert, seine Fingerabdrücke genommen und ihn auch sonst gründlich untersucht haben.
     
    Nach mehr als zwölf Jahren ist es das erste Mal, daß irgendein französischer Polizist Albert Spaggiari so nahe gekommen ist. Dem Chef und Organisator des Bankraubs des Jahrhunderts.
    Dem Mann, der mit ein paar Helfern 1976 das tollste Ding unter den Straßen von Nizza drehte: er raubte um die einhundert Millionen Francs: in cash, Gold, Schmuck und wertvollen Steinen aus dem Tresor der wichtigsten Bank der Stadt. Der Mann, der das gesamte französische Rechtsgefüge aus den Angeln gehoben hat und zugleich die ganze Welt mit seinen Possen amüsierte, ist nun endgültig den Händen der Polizei entglitten.
     
    Im Alter von 57 Jahren ist er an Lungenkrebs gestorben. Albert Spaggiari hat es den Behörden noch einmal erlaubt, ihn zu sehen, ohne sie jedoch hinter seine vielen Geheimnisse kommen zu lassen.
    Denn selbst, wenn er hier vor ihnen liegt, klärt das nicht die Fragen, die sich die örtliche Polizei, Interpol und alle Geheimdienste der Welt stellen. Frech wie er war, konnte er nicht widerstehen, sie alle immer wieder mit Hilfe der internationalen Presse zu verhöhnen. Eigentlich sollte man meinen, daß jemand, der mit soviel Geld verschwindet, sich von den Behörden fernhält: Aber Spaggiari ist da anders. Er ist so egozentrisch, daß die Medien begeistert hinter ihm stehen. Selbst, wenn er, in Abwesenheit, zu zwanzig Jahren Gefängnis verurteilt worden ist, versteckt er sich nicht. Spaggiari prangt auf den Titelseiten von Europas Illustrierten, und er foppt ununterbrochen die Polizei mit seinen Interviews und Fotosessions. Unvergleichlich ist wohl seine berühmte Postkarte, die er mit »Bien le bonjour, d’Albert!« unseren Autoren geschickt hat. Abgestempelt in Nizza. Einen Monat, nachdem er aus dem Fenster des Justizpalastes gesprungen ist.
     
    Alles, was der Polizei bleibt, ist Spaggiari immer wieder in anderer Verkleidung auf Fotos in der Presse bewundern zu dürfen. Schäumend müssen sie von seinem wilden und luxuriösen Leben in Südamerika erfahren. Nur, daß sie nicht selbst dahinterkommen, sondern die Medien dazu brauchen.
    Für seine hilfreiche Einstellung gegenüber der Presselandschaft wird er fürstlich entlohnt. Das macht ihn natürlich noch schärfer.
     
    Als Spaggiari an einem sonnigen Donnerstagnachmittag im März 1977 aus dem Palais de Justice flieht, ist er innerhalb von zehn Minuten verschwunden. Erst geht es nach Italien, dann nach Südamerika. In Paraguay findet er bei dem ultrarechten Diktator Alfredo Strössner Unterschlupf. Ähnlich wie einst unser aller Konsul Weyer.
     
    In der Zeit, in der er auf seiner Ranch bei Assunçion ein ausschweifendes Leben führt, wird er ein
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