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Cool

Cool

Titel: Cool
Autoren: Ken Follett
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Handschellen ab, verlassen den Gerichtsraum und schließen die Tür von außen ab.
    Nur vier Personen bleiben zurück: Spaggiari, Peyrat, Bouazis und Mademoiselle Hoarau, eine Dame so um die Vierzig, mit streng zurückgebundenem Haar, die bereits Hunderte von Seiten während der Verhöre aufgenommen und getippt hat.
    Bouazis stellt die ersten Fragen. Spaggiari raucht ununterbrochen und ist ausweichend wie immer. Um zehn vor fünf erinnert ihn der Untersuchungsrichter daran, daß er ihm in der letzten Woche einen detaillierten Plan von dem Bankraub versprochen habe.
    Langsam greift Spaggiari in die Innenseite seiner Samtjacke und holt ein Stück Papier hervor. Er reicht es dem Beamten. «Voilà, hier ist alles, was sie wissen wollen.« Bouazis faltet das Papier auseinander. Es ist bedeckt mit Linien, Zeichen und Eintragungen. Er betrachtet es mit wachsender Ratlosigkeit. Plötzlich schaut er auf: »Was soll ich damit anfangen? Wo ist überhaupt die Messehalle eingezeichnet?«
    Peyrat schaut seinen Freund und Klienten einen Augenblick an und ist über Spaggiaris Aussehen entsetzt. Der Anwalt sagt später: »Er war kreidebleich, ich habe ihn noch nie so verkrampft gesehen. Er sah aus wie eine Leiche. Plötzlich hatte ich Angst um ihn.«
    Spaggiari steht auf: »Beruhigen Sie sich«, sagt er dem Untersuchungsrichter. Geschmeidig geht er durch den kleinen Raum, an Mademoiselle Hoarau’s Pult vorbei, und tritt neben Richter Bouazis. Er lehnt sich über die Schulter des Magistrats und deutet auf den Plan: »Schauen Sie…« Dann macht er einen Riesensatz zum Fenster, reißt es auf und springt hinaus.
    Anwalt Peyrat schreit: »Nein, tu’s nicht! Tu’s nicht!« (»Ich dachte, er wolle sich umbringen«, gesteht er später.) Der Untersuchungsrichter und der Anwalt springen von ihren Stühlen hoch und eilen zum Fenster. Unter diesem Fenster, das sich im 2. Stock befindet, ist ein sechzig Zentimeter hoher Mauervorsprung, der einem Seiteneingang als Vordach dient. Dieser Eingang heißt Service Etrangers, und draußen bilden die Ausländer jeden Tag eine lange Schlange, um ihre Aufenthaltsgenehmigung und Arbeitserlaubnis zu beantragen oder verlängern zu lassen. Spaggiari springt auf diesen Sims.
    Von dort aus hechtet er auf das Dach eines parkenden Renault 6 und beult es ein. Er läßt sich abrollen und landet mit beiden Beinen auf der Straße.
    Neben dem Renault steht eine metallicgrüne Kawasaki 900 mit laufendem Motor. Der untersetzte Fahrer trägt einen Helm mit getöntem Sichtschutz. Spaggiari springt auf den Soziussitz.
    Von oben ruft Untersuchungsrichter Bouazis verzweifelt: »Arretez-le! Arretez-le!« - aber niemand hält ihn auf. Spaggiari ruft zurück: »Au revoir.« Und macht mit seinen Fingern das V-Zeichen - V wie victory - wie Sieg. Die Passanten hören sein hämisches Lachen, als das Motorrad auf dem Boulevard Jean-Jaurès verschwindet. Die Flüchtigen erleben noch einen bangen Augenblick, als ein Auto aus einer Parklücke ausschert und ihnen den Weg versperrt. Doch der Motorradfahrer ist geschickt genug, reißt seine Maschine herum und kann dem herausfahrenden Auto ausweichen. Er streift es nur geringfügig. Inzwischen ist ein Polizist vor dem Gerichtsgebäude auf sein Motorrad gesprungen und beginnt die Verfolgung. Doch Spaggiaris Vorsprung ist zu groß, und der Polizist verliert die beiden sofort aus den Augen. Die Polizei reagiert, so gut sie kann. Innerhalb von zehn Minuten werden alle Ausfallstraßen von Nizza kontrolliert, die französischen Grenzbehörden sind verständigt, alle Züge und Flugzeuge werden gestoppt. Eine Privatmaschine, die gerade gestartet ist, muß wieder landen. Eine unglaubliche Menschenjagd beginnt.
    Aber es nützt alles nichts. Spaggiari ist spurlos verschwunden. Jedoch hat er des öfteren von sich hören lassen, der Presse und dem Fernsehen Interviews gegeben. Aber davon später.
    Der Renault 6, auf dessen Haube er gelandet ist, sieht ziemlich demoliert aus und muß generalüberholt werden. Dem Besitzer, Monsieur Gonzales, bricht es fast das Herz. Sein Auto war so gut wie neu. Er wohnt in der Rue de Pontin, gleich neben dem Gerichtsgebäude. Sein funkelnagelneuer Wagen ist schon einmal beschädigt worden. Deshalb hat er ihn vor dem Gericht geparkt, weil er glaubte, daß er dort am sichersten sei.
    Die Reparatur kostet ihn rund zweitausendachthundert Francs, und die Versicherung weigert sich, Monsieur Gonzales den Schaden zu bezahlen, weil für diese Art von Unfällen keine
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