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Clarissa

Clarissa

Titel: Clarissa
Autoren: Jude Deveraux
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aus, ihr das klaffende Loch in ihres Vaters Kehle zu zeigen und seinen Kopf, der in der sich vergrößernden Lache seines eigenen Blutes lag.
    Zutiefst geschockt, löste sich Clarissa vom Fenster und begann, vom Haus wegzuwandern. Sie achtete nicht der kalten Luft auf ihren bloßen Armen, spürte nicht, wie der Frosthauch durch die groben Maschen ihres Wollkleides drang. Sie sorgte sich nicht mehr um Pagnell, ob er ihr etwas antun könne. Er hatte ihr alles genommen, was er ihr rauben konnte. Ihr Vater war die einzige Person gewesen, die sie nicht der Musik wegen gemocht, sondern als Mensch geliebt hatte. Und ihr Vater war tot. Was sonst hätte er ihr noch wegnehmen können?
    Sie irrte umher, wußte nicht, wohin sie ging, bis sie endlich vor der Kirche stolpernd auf die Knie fiel, die Hände verschränkte und um die Seele ihres Vaters betete, damit er im Himmel die Aufnahme fand, die er verdiente.
    Vielleicht mochte es an der jahrelangen Schulung liegen oder auch an ihrer Trauer, daß sie sich so ausschließlich mit sich selbst beschäftigte und gar nichts von dem Tumult bemerkte, der um sie her entstand. Sie sah und hörte nichts von den knisternden Flammen, die ihr Haus und die Leiche ihres Vaters verzehrten, Die Angst vor einer Feuersbrunst in so einer hinter Mauern zusammengedrängten Gemeinde war ein ständiger Alptraum, und fast alle Bewohner kamen aus ihren Häusern und bemerkten in ihrem Entsetzen nicht die zierliche Gestalt von Clarissa, die im Schatten des Kirchenportals kniete.
    Als im ersten Licht des Morgens die Tore geöffnet wurden, warteten schon sechs gepanzerte Ritter vor der Stadt, die das Wappen des Grafen von Waldenham trugen. Die Hufe der schweren Schlachtrösser pflügten durch die engen Gassen zwischen den Häusern, und die gewaltigen Zweihänder, die die Ritter mit sich führten, hackten Dachtraufen und Schilder ab, die ihren Weg behinderten, während die Ritter langsam, besitzergreifend, durch die Stadt ritten. Frauen rissen ihre Kinder vor den gefährlichen Rössern zur Seite, hielten sie wie gelähmt an die Brust gedrückt, während sie den Weg dieser massiven, furchtgebietenden, in Eisen gehüllten Männer durch die friedliche Stadt mit ängstlichen Blicken verfolgten.
    Die Ritter hielten vor den rauchenden Ruinen des Blackett-Hauses an, und ihr Anführer zog ein Pergament aus seiner Satteltasche und nagelte es an einen noch aufrechten, verkohlten Pfosten. Ohne sein Visier zu heben, sah er von seinem hohen Roß auf die verängstigten Stadtleute hinunter. Mit einer raschen Bewegung brachte er seine Lanze in Anschlag und spießte damit geschickt einen Hund auf, dessen Kadaver er in die qualmende Asche schleuderte.
    »Was dort steht, sei euch eine Warnung! « sagte er mit dröhnender Stimme, daß es von den steinernen Mauern der Stadt widerhallte.
    Ohne sich um die Stadtleute zu kümmern, die um sie herumstanden, gaben die Ritter ihren Pferden die Sporen und trabten wieder aus der Stadt, diesmal in entgegengesetzter Richtung, wobei sie noch eine Gasse mit ihren Schwertern verwüsteten, bevor sie durch die Tore ins freie Feld gelangten, ein verstörtes Stadtvolk hinter sich lassend.
    Es dauerte eine Weile, ehe sich einer so weit erholt hatte, daß er das Papier am verkohlten Pfosten in Augenschein nehmen konnte. Der Priester, der des Lesens kundig war, trat hinzu und nahm sich viel Zeit mit der Lektüre des Pergaments, während die Stadtleute schweigend warteten. Als sich der Priester endlich umdrehte, war sein Gesicht aschfahl.
    »Clarissa«, begann er langsam, »Clarissa Blackett wird der Ketzerei, Hexerei und des Diebstahls beschuldigt. Der Graf von Waldenham behauptet, das Mädchen habe die vom Teufel verliehene Gabe ihrer Stimme dazu benützt, seinen Sohn zu betören, und als er sich gegen sie zur Wehr zu setzen versuchte, verlästerte sie die Kirche. Als er sich dennoch nicht fügen wollte, schlug sie ihn mit der Macht des Bösen nieder und beraubte ihn. «
    Eine Weile lang waren sie alle sprachlos. Clarissas Stimme sollte eine Gabe des Teufels sein? Vielleicht war ihr Talent verblüffend groß; doch konnte es ihr doch nur von Gott verliehen worden sein. Verwendete sie denn nicht ihre Stimme zur Lobpreisung des Herrn? Natürlich waren auch ein paar Lieder darunter, die mit Kirchenmusik sehr wenig zu tun hatten. Vielleicht…
    Wie ein Mann sahen sie alle auf, als Clarissa über die freie Fläche humpelte, die ihr Haus von der Rückseite der Kirche trennte, und über eine Scholle
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