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Du wirst die Schoenste sein

Du wirst die Schoenste sein

Titel: Du wirst die Schoenste sein
Autoren: Mari Posa
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ERST E RUNDE
     
    Jener Sommer.
    Jener Sommer mit diesem bizarren, oft auch lächerlichen und sogar grausamen Spiel, dem ich mich trotz allem nicht hatte entziehen können.
    Ich habe niemals darüber gesprochen, obwohl mir selbst heute noch so manches aus jenem Sommer durch den Kopf geht. Oft nur unbedeutende Kleinigkeiten, die ich damals kaum beachtete, und die ich heute teilweise nur vage den einzelnen Runden des Spiels zuordnen kann.
    Dass ich mich dazu entschlossen habe, die Ereignisse jenes Sommers Perle für Perle wieder aufzufädeln, geschieht nicht aus therapeutischen Gründen, was nahe läge, sich für jemand in meiner Situation aber erübrigt.
    Da ich jenem Sommer eine Art Schlüsselrolle in meinem bisherigen Dasein zugestehe, erscheint mir ein schriftliches Festhalten für angemessen. Einmal gegen das Vergessen, aber auch weil ich es liebe, während lästiger Wartezeiten, ob auf Flughäfen oder Bahnhöfen, ja selbst an verregneten Wochenenden nach meinem Schreibblock zu greifen und noch einmal in jenen Sommer einzutauchen.
    So manches erscheint mir heute unerklärlich, aber ich war jung damals, in jenem Sommer. Bin es letzten Endes auch heute noch. Kenne aber mittlerweile den Unterschied zwischen erwachsen zu sein oder sich nur erwachsen zu fühlen.
     
     
    Alles begann an einem meiner freien Tagen, an dem ich wie gewöhnlich in jenem Sommer durch Palma bummelte, hauptsächlich durch die Fußgängerzonen mit den Schuh- und Klamottenläden. Anschließend saß ich dann erhitzt und ein wenig matt mit einer eiskalten Cola auf der schattigen Terrasse vom „Moccacino“, unterhalb von La Seu, der Kathedrale, gelegen. Es war Ende Juli, an ein genaueres Datum erinnere ich mich nicht, als mich dort ein Mann ansprach. Er saß schräg hinter mir, trotzdem in unmittelbarer Nähe wegen der dicht stehenden zierlichen Tische.
    „Entschuldigung“, hatte er gesagt, „darf ich Sie etwas fragen?“
    Da ich ihn für einen deutschen Touristen hielt, rechnete ich mit einer der üblichen Fragen. Ich muss gestehen, ich kam mir damals wegen meines Jobs als Animateurin, der mir einen sechsmonatigen Aufenthalt auf Mallorca ermöglichte, haushoch erhaben über jeden Touristen vor. Mit meinem während der letzten Wochen antrainierten Lächeln wandte ich mich dem Fremden zu, während er fortfuhr: „Hätten Sie Lust auf ein kleines Spiel?“
    Das kam unerwartet. Normalerweise erkundigten Touristen sich eher nach lohnenden Ausflugszielen oder günstigen Einkaufsadressen oder einem wirksamem Medikament gegen Sonnenbrand oder Bauchgrimmen. Ich zögerte kurz und warf dann hörbar gereizt die Bemerkung hin, ich sei zu alt für Sandkastenspiele.
    „Kein Sandkastenspiel. Ein Spiel für Erwachsene.“ Der Unbekannte lächelte mit geschlossenen Lippen. Aha. Die Art Spiel also. Ich musterte ihn mit geradezu unverschämt verächtlichem Blick. Sein schmales, nicht mehr junges Gesicht, das helle Leinenhemd, deren gekrempelte Ärmel tief gebräunte Unterarme frei ließen.
    „Aber ohne mich.“ Ich leerte mein Glas, hinterlegte einige Münzen und sprang dann die wie polierten, abgewetzten Steinstufen zum Paseo Borne hinunter. Wobei mir Worte wie ekelhaft und pervers durch den Kopf gingen. Garantiert bereits über sechzig der Typ und quatscht junge Frauen für seine geilen Spielchen an. Weshalb ich ausschließlich in jene Richtung dachte, kann ich nicht sagen. Lag es an diesem Lächeln, isoliert von seinem Blick. Helle Augen von irgendeiner verwaschenen Farbe übrigens.
    Am Fuß der Treppe angekommen hatte ich den Vorfall als einfach nur lächerlich bereits abgehakt.
    Da ich noch eine lästige, lange Fahrt quer über die Insel vor mir hatte, versorgte ich mich mit einem bocadillo con queso und einer Flasche Wasser. Mallorca erschien mir damals nicht wirklich als Insel. Im Grunde stelle ich mir, auch heute noch, unter einer Insel ein Stück Land mitten im Wasser vor, das man zu Fuß durchqueren kann, wo im Idealfall stellenweise sogar ein Blick beidseitig auf Wasser möglich ist. Mallorca ist also von meiner Trauminsel meilenweit entfernt.
    Kaum ins Dämmerlicht des Parkhauses am Paseo Marítimo eingetaucht, schoss plötzlich ein schwerer, dunkler Wagen um eine Kurve und direkt auf mich zu. Geradezu in Panik brachte ich mich zwischen parkenden Autos in Sicherheit. Aber anstatt an mir vorbei zu schießen, kam der wuchtige Schlitten mit einer Vollbremsung direkt neben mir zum Stehen. Und ich starrte in das lächelnde Gesicht des spielfreudigen
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