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Clarissa

Clarissa

Titel: Clarissa
Autoren: Jude Deveraux
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stolperte, die von den schweren Hufen der Schlachtrösser aus der Gasse gerissen worden war. Mit ratlosen, zum Teil auch zweifelnden Mienen wichen sie zur Seite und ließen das Mädchen passieren. Sie stand still und starrte schweigend auf die verkohlten Reste ihrer ehemaligen Wohnung.
    »Komm, mein Kind«, bat der Priester, legte schnell den Arm um ihre Schultern und drängte sie förmlich auf das Pfarrhaus zu. Dort angelangt, begann der Priester, rasch Brot und Käse in einen Leinensack zu packen. »Clarissa, du mußt die Stadt verlassen. «
    »Mein Vater«, sagte sie leise.
    »Ich weiß, wir sahen seine Leiche in den Flammen. Beruhige dich, er war bereits tot, und ich werde fünfundzwanzig Messen für seine Seele lesen. Jetzt bange ich um dich. «
    Als er merkte, daß sie ihm gar nicht richtig zuhörte, rüttelte er sie heftig an der Schulter, daß ihr der Kopf ins Genick flog. »Clarissa, du mußt auf mich hören! « Als wieder Licht in ihre Augen trat, erzählte er ihr von dem Anschlag, der sie in mannigfacher Weise beschuldigte. »Sie haben eine Belohnung für dich ausgesetzt, tot oder lebendig. «
    »Eine Belohnung? « flüsterte sie. »Was bin ich denn wert? «
    »Clarissa, du bist eine Menge wert, hast jedoch aus irgendeinem Grund den Zorn des Grafen erregt. Ich habe noch keinem etwas von der Belohnung gesagt; aber sie werden das nur zu bald erfahren und nicht alle bereit sein, dein Leben zu schützen. Ein habgieriger Schurke findet sich immer, der dich bereitwillig der Belohnung wegen dem Grafen ausliefert. «
    »Meinetwegen! Ich bin unschuldig, und der König… «
    Das Lachen des Priesters schnitt ihr das Wort ab, während er sie in einen schweren, zu langen Umhang hüllte. »Man würde dich schuldig finden, und im günstigsten Fall kannst du mit einem schnellen Tod am Galgen rechnen. Ich möchte, daß du jetzt gehst und am Rand des Königsforstes auf mich wartest. Heute abend werde ich dich dort treffen und hoffentlich einen Plan bereit haben, den wir verwerten können. Geh jetzt, Clarissa. Spute dich und achte darauf, daß möglichst wenige dich sehen. Ich komme heute abend zu dir und bringe ein Instrument und noch mehr Nahrungsmittel mit. Vielleicht finden wir eine Möglichkeit, wie sich auch ein junges Mädchen ihren Lebensunterhalt verdienen könnte. «
    Ehe Clarissa sich recht klar wurde, was mit ihr geschah, wurde sie schon zur Tür hinausgeschoben, den Sack mit Nahrungsmitteln über der Schulter, den zu langen Umhang mit beiden Händen hochhaltend. Sie eilte zum Stadttor, versuchte sich nicht vor den Leuten ihrer Gemeinde zu verstecken; doch da sie fast alle noch um die Ruine ihres Hauses versammelt waren, bemerkte sie keiner.
    Sobald sie den Forst erreicht hatte, setzte sie sich erschöpft und vom Kummer überwältigt nieder, unfähig, die Ereignisse der letzten Stunden erfassen oder begreifen zu können. Zunächst hatte sie nur das Bild ihres Vaters vor Augen, das Leben, das sie zusammen geführt, seine Fürsorge und Liebe. Schließlich, nach einer Nacht voller Gebete, auf die ein schrecklicher Morgen gefolgt war, begann sie zu weinen, zu weinen und zu weinen, den Kopf verhüllt von ihrem Umhang, zu einem kleinen Ball zusammengerollt. Nach einer langen Weile lockerten sich ihre müden Muskeln, und sie schlummerte, immer noch am ganzen Körper zitternd, unter den Falten ihres Umhangs vergraben, ein.
    Es war kurz vor Sonnenuntergang, als sie wieder erwachte. Ihre Muskeln schmerzten, ihr linker Fuß tat noch weh vom Sprung aus dem Fenster, ihr Herz klopfte. Vorsichtig zog sie den Wollstoff von ihrem Gesicht und entdeckte einen Mann, der in ihrer Nähe auf einem Baumstamm saß. Mit einem entsetzten Keuchen sah sie sich nach einem Fluchtweg um.
    »Du brauchst nicht vor mir fortzulaufen«, sagte der Mann behutsam, und seine Stimme half ihr, ihn wiederzuerkennen. Es war der Diener des jungen Edelmannes, der ihr gestern geholfen hatte, Pagnell und seinen Zechkumpanen zu entrinnen.
    »Willst du dir deine Belohnung verdienen? « fragte sie mit einer Mischung aus Furcht und Hohn. »Vielleicht werde ich dann sagen, wie du mir zuvor geholfen hast. Ich glaube nicht, daß deinem Herrn so etwas gefallen würde. «
    Zu ihrer Überraschung begann der Mann zu lachen. »Hab keine Angst vor mir, Kind«, sagte er. »Dein Priester und ich führten ein sehr ausführliches Gespräch, während du schliefst, und wir haben einen Plan für dich vorbereitet. Wenn du bereit bist, mir zuzuhören, glaube ich, wir könnten dich
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