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Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels

Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels

Titel: Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Fehlanzeige. Ich glaube, er baut da drinnen irgendetwas.«
    »Das würde zu den Lieferungen passen, die vor zwei Wochen dort eingetroffen sind«, sagte Oskar. »Erinnert ihr euch? Diese riesigen Holzkisten mit der Aufschrift Vorsicht, nicht kippen!«
    »Zerbrecht euch nicht die Köpfe«, sagte Eliza. »Wenn er uns etwas mitzuteilen hat, wird er es tun. Bis es so weit ist, geht am besten nach oben, räumt eure Zimmer auf und dann kommt zum Essen. Ich werde zusehen, dass ich auf die Schnelle etwas zubereite.«
    Oskar wusste, dass das maßlos untertrieben war. Elizas Kochkünste waren vom Feinsten. Wenn sie sagte, sie müsse etwas auf die Schnelle machen, dann war davon auszugehen, dass es wieder ein kleines Festessen geben würde. Rasch stürmten die Freunde in ihre Zimmer und brachten ihre Neuerwerbungen in Sicherheit. Oskar konnte es kaum erwarten, endlich den steifen englischen Zwirn ablegen zu dürfen und wieder in seine bequemen, eingetragenen Sachen zu schlüpfen. Nicht dass er etwas an den neuen Kleidern auszusetzen hätte – sie waren wirklich schön –, aber es würde wieder verdammt lange dauern, bis er sich daran gewöhnt hatte. Besonders die Schuhe, von denen er jetzt schon Blasen hatte. Er öffnete den Schrank und wollte gerade seine Hose ausziehen, als sein Blick auf ein beinahe vergessenes Kleidungsstück fiel. Eine unscheinbare Kombination aus einer Hose, einem langen Oberteil mit Kapuze sowie speziellen Schuhen. Die Jacke war mit winzigen Insektenschuppen überzogen, die im Licht der Gaslampe geheimnisvoll schimmerten. Es war das Gewand eines Meisterdiebes aus Xi’mal, ein Geschenk des Schamanen aus dem Reich der Regenfresser. Oskar strich mit seinen Fingern über das Material. Wie schön es sich anfühlte. Angeblich war es imstande, sich der Farbe des Untergrundes anzupassen. Eine Art Tarnanzug, für jemanden, der ungesehen irgendwo rein- und rausspazieren wollte. Dabei war er extrem leicht, man spürte ihn gar nicht, wenn man ihn trug.
    Oskar überlegte, ob er den Anzug mal wieder anziehen sollte, als ein Geräusch an seiner Tür zu hören war. Er drehte sich um und da stand Lena. Ihre Wangen glänzten und sie lächelte schüchtern.
    »Stör ich?«
    »Was? Nein gar nicht, komm doch rein«, sagte Oskar. »Ich war gerade etwas in Gedanken. Was kann ich für dich tun?«
    Lena schloss die Tür hinter sich und kam auf ihn zu. »Ich dachte, du könntest mir vielleicht helfen.« In ihren Augen schimmerte das Licht der Lampe.
    »Klar, schieß los.«
    »Folgendes: Die neuen Sachen, die ich gekauft habe. Ich bin ein bisschen unsicher, ob sie wirklich zu mir passen. Vorhin, vor Charlotte, wollte ich nichts sagen. Sie ist sehr eigen in solchen Dingen, deshalb dachte ich mir, ich frage dich, wenn sie nicht da ist.«
    »Du siehst sehr hübsch darin aus.«
    Sie strahlte. »Ja, wirklich? Mädchen haben oft einen anderen Geschmack als Jungs.«
    »Wenn ich es dir doch sage. Richtig schick – du siehst aus wie eine Dame.«
    »Oh, danke.« Ein roter Schimmer huschte über ihre Wangen. Die Farbe stand in einem interessanten Kontrast zu ihren grünen Augen. Sie blickte an sich hinab und strich den Stoff glatt. »Die Sachen sind noch etwas ungewohnt.«
    »Das kenne ich. Ich war gerade dabei, meine wieder auszuziehen, weil mich alles kratzt und juckt.« Oskar grinste. Lena musste jetzt vierzehn oder fünfzehn sein. Als sie sich zum ersten Mal begegnet waren, war sie eine freche Sechsjährige mit roten Zöpfen gewesen. Sie waren jetzt schon so viele Jahre befreundet, aber irgendwie hatte er es bis heute nicht geschafft, in ihr etwas Anderes als das kleine Mädchen zu sehen.
    »Komisch«, sagte er.
    »Was denn?« Sie sah ihn aufmerksam an.
    »Mit den neuen Sachen und den hochgesteckten Haaren wirkst du viel erwachsener. Du bist ein vollkommen neuer Mensch.«
    Das zarte Rosa verwandelte sich in ein flammendes Rot. »Du aber auch. Ich finde, der neue Anzug steht dir toll. Charlotte hat wirklich einen guten Geschmack.«
    »Ja, das hat sie.« Oskar wurde ein bisschen wehmütig ums Herz. Er liebte Charlotte von ganzem Herzen, aber in letzter Zeit machte sie es ihm nicht gerade leicht. Die Nachricht, dass sie ein Adoptivkind war, hatte sie völlig aus der Bahn geworfen. Charlotte setzte alle Hebel in Bewegung, um herauszufinden, wer ihre leiblichen Eltern waren, bisher jedoch ohne Erfolg.
    Oskar konnte ihren Frust nachfühlen. Er, der ohne Eltern aufgewachsen war, hatte nie etwas vermisst. Er hatte sich seine eigene Welt
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