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Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels

Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels

Titel: Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Lilienkron von der naturwissenschaftlichen Fakultät Potsdam schulterte sein Gewehr und zog den Trageriemen enger. Die Repetierbüchse wog einige Kilo, aber unbewaffnet wollte er nicht in den Dschungel ziehen, so naiv war er nicht. Immerhin gab es hier Tiger und andere Raubkatzen. Ganz zu schweigen von den seltsamen menschenähnlichen Kreaturen, die von den Ureinwohnern Orang Utans genannt wurden. Das Blätterdach war erfüllt von den Rufen tropischer Vögel, von denen es hier, im Südosten der Insel, besonders viele gab.
    Java lag im Indischen Ozean und war eine der vier großen Sundainseln. Ein Tropenparadies mit tiefen Dschungeln, Mangrovensümpfen, Savannen und einer Unzahl von Tieren, die noch gar nicht erforscht waren.
    Lilienkron hob den Kopf und genoss den Ausblick. Über ihm war ein Pärchen Rosenkakadus damit beschäftigt, Kerne aus einer reifen Papaya zu picken. Ein Paradiesvogel hatte seinen prächtigen Schwanz in der Morgensonne ausgebreitet, während hoch über ihm gelbe Sonnensittiche wie Blitze durch die Baumkronen schossen. Er lächelte versonnen: Ja, Java war ein Garten Eden, auch wenn die Luftfeuchtigkeit und die Temperaturen einem ziemlich zusetzen konnten. Aber für jemanden wie ihn, der schon oft in tropischen Ländern geforscht hatte, war das kein Problem.
    »Temal, wo bleibst du denn?« Er drehte sich um. »Meine Mutter könnte kaum langsamer sein.« Er erklomm eine vorstehende Brettwurzel und spähte in das nebelverhangene Dickicht. Wo steckte dieser Träger bloß wieder? Temal tat so, als habe er den ganzen Tag Zeit. Die Geschwindigkeit seines Gehilfen stand in verdächtiger Abhängigkeit zum Lohn, aber Lilienkron war nicht bereit, wegen jeder zu umrundenden Bananenstaude nachzuverhandeln. Ausgeschlossen. Ein Handel war ein Handel. Das mussten auch die Einheimischen verstehen, schließlich benahmen sie sich untereinander nicht so dreist. Nur Fremde wurden nach Strich und Faden begaunert. Nun, er würde Temal schon zurechtbiegen. Wäre doch gelacht, wenn es ihm mit seiner Erfahrung und seiner Autorität nicht gelang, einen einfachen Träger zu disziplinieren. Man musste diese Leute spüren lassen, wer der Herr im Hause war, dann funktionierte der Rest von ganz allein.
    Lilienkron war Geologe. Vulkanologe, um genau zu sein. Ein feingliedriger Mann mit kantigen Gesichtszügen und einem Hut, der ein wenig an einen türkischen Fez erinnerte. Böswillige Zungen behaupteten, die Kopfbedeckung habe Wilhelm Busch zu der Figur des Schneiders Böck in Max und Moritz angeregt. He, heraus du Ziegen-Böck! Schneider, Schneider, meck, meck, meck! Aber diese Bildergeschichte war bereits 30 Jahre zuvor erschienen.
    Nicht dass Lilienkron einen guten Scherz nicht zu schätzen wusste, aber das ging dann doch zu weit. Immerhin war er ein ordentlicher Professor an einer der bedeutendsten Universitäten der Welt. Als Experte für Vulkane und mit einem Jahresgehalt von zweitausendfünfhundert Mark standen ihm alle Türen der Welt offen. Irgendeiner seiner Studenten hatte jedoch mit dieser Böck-Geschichte angefangen und im Nu hatte sich der Spottname »Lilienböck« an der Fakultät verbreitet. Eine Zeit lang hatte Lilienkron versucht, dagegen vorzugehen, doch es war, als würde man Wasser auf eine heiße Herdplatte tropfen.
    Sei’s drum. Würde er erst finden, wonach er schon sein halbes Leben lang suchte, dann würde man ihn mit mehr Respekt behandeln. So viel war sicher.
    Er reckte den Hals. Endlich sah er den dunklen Haarschopf und den leinenfarbenen Rucksack durchs Unterholz wippen. Temal hatte eine lilafarbene Orchidee gepflückt und schnupperte gedankenverloren in ihrem Kelch. Vermutlich dachte er dabei an seine junge Verlobte, die daheim auf ihn wartete. Lilienkron winkte ungeduldig mit dem Arm.
    »Temal! Hierher.«
    Der Träger erblickte ihn, wechselte die Richtung und kam spornstreichs auf ihn zu.
    »Da bist du ja endlich.« Lilienkron stemmte die Hände in die Hüften. »Ich habe dir schon tausendmal gesagt, dass wir uns beeilen müssen, wenn wir unseren Lagerplatz vor dem Regen erreichen wollen. Bei deinem Getrödel schaffen wir es nie bis zum Bromo.«
    »Nicht aufregen, Tuan Lilienkron. Wir viel Zeit.« Temal schnupperte an seiner Blume. »Wenn schneller, dann mehr Geld.«
    »Das kannst du vergessen, mein Lieber. Das Thema haben wir schon durch. Du wirst dich an unsere Vereinbarung halten, oder ich erzähle dem Dorfältesten, dass er einen Betrüger in seinem Ort beherbergt. Wenn ich mit deiner
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