Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels

Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels

Titel: Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels
Autoren: Thomas Thiemeyer
Vom Netzwerk:
dagelassen, den ich euch nicht vorenthalten möchte.« Er griff in die Innentasche seiner Weste und zog ein gelbliches Blatt Papier heraus, das den Briefkopf der Universität zu Berlin trug. Darunter stand in feiner Tinte und mit ausdrucksvoller Handschrift ein längerer Text. Humboldt schob seine Brille auf die Nasenspitze, räusperte sich und fing an zu lesen.
    »Sehr verehrter Herr Donhauser …« Er machte eine bedeutsame Pause. Jeder in diesem Raum wusste, wie empfindlich er war, wenn man ihn mit seinem bürgerlichen Namen anredete. Er selbst war davon überzeugt, der uneheliche Sohn Alexander von Humboldts zu sein – eine Behauptung, die er leider nie hundertprozentig hatte beweisen können.
    »Ich bin mir darüber im Klaren, dass mein Anschreiben Sie in einem ungünstigen Moment erreicht, aber ich möchte trotzdem mein Glück versuchen. Vor geraumer Zeit haben Sie der Universität den Rücken gekehrt – ein Schritt, den ich sehr bedauere. Lassen Sie mich Ihnen jedoch versichern, dass ich Ihre Beweggründe voll und ganz verstehe. Wir beide wissen, dass die Strukturen, die an unserer Lehranstalt herrschen, verbesserungswürdig sind, und ich betrachte es als meine Aufgabe, dies zu ändern. Mein Name ist Dr. Jakob Sprengler und ich bin der neue Direktor der Friedrich-Wilhelm-Universität zu Berlin.«
    »Sprengler«, sagte Oskar. »Nie gehört.«
    »Er ist seit etwa einem halben Jahr im Amt«, sagte Humboldt. »Ein junger und tüchtiger Mann, wie man hört.« Er schob seine Brille vor und las weiter.
    »Mir ist zu Ohren gekommen, dass Sie während des vergangenen Jahres ein höchst erfolgreiches Privatunternehmen gegründet haben und dabei Dingen auf den Grund gehen, die man im Volksmund als unerklärliche Phänomene bezeichnet. Ihre Liste an Kunden ist beeindruckend – ebenso beeindruckend wie Ihre Erfolgsquote. Aus diesem Grund würde ich Sie gerne mit einer Aufgabe betrauen, die von höchster Wichtigkeit für das Ansehen und die Reputation der Universität ist. Ich möchte eine Expedition ins Leben rufen, bei der Sie die Leitung übernehmen sollen. Selbstverständlich würden wir für alle Kosten aufkommen und uns auch sonst ganz nach Ihren Wünschen richten. Mit diesem Ansinnen und dem tiefempfundenen Wunsch, Sie persönlich kennenzulernen, möchte ich Sie am kommenden Donnerstag zehn Uhr zu einer Besprechung in mein Büro einladen. Sie dürfen gerne Ihre Assistenten mitbringen und jeden, von dem Sie glauben, dass er unserer Sache dienlich sein könnte. In großer Verehrung und mit den freundlichsten Grüßen, Ihr Dr. Jakob Sprengler, leitender Direktor.«
    Humboldt ließ das Papier sinken.
    »Verblüffend, nicht wahr?«
    Oskar zog die Brauen zusammen. »Verstehe ich das richtig? Die Universität hat einen Auftrag für uns?«
    »So sieht es aus«, sagte der Forscher.
    »Und worum geht es?«, fragte Charlotte.
    »Darüber steht nichts in diesem Brief.«
    »Du nimmst seine Einladung doch an.«
    Humboldt blickte unschlüssig von einem zum anderen und zuckte dann mit den Schultern. »Ich habe mich noch nicht festgelegt. Eigentlich hatte ich mir geschworen, nie wieder einen Fuß dorthin zu setzen.«
    »Aber es ist ein neuer Direktor«, gab Charlotte zu bedenken. »Außerdem klingt das Angebot verlockend. Eine Expedition, finanziert von der Universität zu Berlin. Ich finde, das ist mehr als interessant. Vor allem, wenn man bedenkt, dass die da drüben doch genug eigene Wissenschaftler haben müssten. Warum du?«
    Darauf wusste der Forscher keine Antwort.
    »Dann ist die Sache doch klar«, sagte Charlotte. »Wir werden es kaum herausfinden, wenn wir uns nicht die Mühe machen, mit ihm zu sprechen, meinst du nicht auch?«
    Humboldt runzelte die Stirn. »Seid ihr anderen auch dieser Meinung?«
    Oskar nickte. »Klar, unbedingt.«
    »Was hättest du schon zu verlieren?«, hakte Charlotte nach. »Außerdem wäre das endlich mal wieder ein schöner Auftrag.«
    »Und was war mit dem ganzen letzten Jahr? Wir hatten doch mehr als genug zu tun.«
    »Ja schon, aber denk doch mal nach, Onkel. Marder, Siebenschläfer und Sumpfgas. Das ist nicht unser Niveau.«
    »Aber es bringt gutes Geld. Was kann ich dafür, dass sich die angeblich übernatürlichen Phänomene immer als Banalitäten entpuppen?«
    »Natürlich kannst du dafür nichts«, sagte Charlotte. »Aber sei doch mal ehrlich: Geldverdienen ist nicht alles. Gib zu, es juckt dich auch in den Fingern, endlich mal wieder einen Auftrag in fernen Ländern zu übernehmen.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher