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Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels

Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels

Titel: Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels
Autoren: Thomas Thiemeyer
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aber dann fielen ihm Elizas Worte wieder ein und er schwieg.
    Irgendwann waren alle fertig, räumten ab, machten den Abwasch und versammelten sich dann vor dem Kamin. Eliza hatte ihnen versprochen, dass sie dem Forscher vor dem Zubettgehen noch ihre Neuerwerbungen zeigen durften.
    Lena hatte sich eine hübsche Haarspange mit Bernsteinverzierungen gekauft, Willi einen Satz Trickkarten, mit denen man Zauberkunststücke vorführen konnte, Berts Liebe war sofort auf ein Taschenmesser mit Flaschenöffner übergesprungen und Maus hatte einen wunderbar geschnitzten und bemalten Holzritter für seine Sammlung erstanden.
    »Und was hast du dir gekauft?«, fragte Humboldt.
    »Das hier.« Oskar reichte ihm ein Buch, von dem er glaubte, dass es seinem Vater gefallen würde. Es enthielt einige schwarz-weiße Bilder und schematische Zeichnungen, die allesamt sehr technisch und wissenschaftlich aussahen. Der Forscher schnappte sich den schmalen Band und begann darin herumzublättern.
    »John Cleve Symmes’ Theorie der konzentrischen Kreise«, sagte Oskar stolz. »Ein Buch über die Hohlwelt.« Er wusste, dass sein Vater es gerne sah, wenn er neben seinen Romanen hin und wieder auch ein Sachbuch las, und war völlig überrascht, als dieser plötzlich in schallendes Gelächter ausbrach.
    »Na, da hast du dir ja eine schöne Lektüre gekauft«, sagte Humboldt und wischte eine Träne aus seinem Augenwinkel. »Ich wusste gar nicht, dass inzwischen eine deutsche Übersetzung davon erhältlich ist. Ich hoffe bloß, dass du das nicht allzu ernst nimmst.«
    »Warum?«, fragte Oskar enttäuscht. Auf der Rückseite stand, dass dieses Buch Jules Verne zu seinem Roman Reise zum Mittelpunkt der Erde inspiriert habe. Es konnte also nicht schlecht sein. Dass sein Vater sich so darüber amüsierte, kränkte ihn.
    Seine Freunde drängten heran, um einen Blick auf das Buch zu erhaschen. »Worum geht es denn?«
    »John Cleves Symmes war ein Hauptmann der US-Armee«, sagte Humboldt. »Er vertrat die Auffassung, die Erde sei in Wirklichkeit ein Hohlkörper, der eine innere Sonne beherberge. Eine These übrigens, die vor ihm schon der englische Astronom Edmund Halley und der Schweizer Mathematiker Leonhard Euler geäußert hatten. Daran könnt ihr sehen, dass auch große Geister nicht vor Irrtümern gefeit sind. Die Idee entstand, weil man sich einige physikalische Unstimmigkeiten nicht erklären konnte. Und da jedermann davon ausging, dass nicht nur die Erde, sondern auch die Planeten Venus, Merkur und so weiter bewohnt sein müssten, kam man auf die Idee, dass sich das Leben im Inneren dieser Himmelskörper entwickelt haben müsste.«
    »Im Inneren?« Berts Augen wurden groß wie Murmeln.
    »Es kommt noch besser«, fuhr Humboldt fort. »Symmes überredete den Kongress dazu, eine Expedition zum Südpol zu entsenden. Dort vermutete er den Eingang in die Hohlwelt.«
    »Warum ausgerechnet da?«
    »Das Hauptargument waren die Polarlichter. Da er sich nicht erklären konnte, wie sie entstanden, behauptete er einfach, es sei Licht, das aus den Tiefen der Erde durch das Eis an die Oberfläche dringe. Herrlich, oder?«
    Charlotte runzelte die Stirn. »Was wurde aus der Expedition?«
    »Nichts. Sie wurde zwar begonnen, scheiterte aber unterwegs wegen einer Meuterei. Wahrscheinlich hatten die Leute begriffen, dass sie einem Scharlatan aufgesessen waren. Sie enthoben den Führer seines Kommandos und zogen kurzerhand einen Schlussstrich unter die Sache. Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende, wie der Volksmund so schön sagt. Dass dieses Buch immer noch in den Köpfen der Leute herumspukt, zeigt mir, dass wir noch einen weiten Weg vor uns haben. Ach Oskar, jetzt schau nicht so bedröppelt.« Er klopfte ihm auf die Schulter. »Wenn du das Buch mit einer gewissen Distanz liest und nicht alles glaubst, was da steht, wirst du viel daraus lernen. Nichts über die Hohlwelt, fürchte ich, aber darüber, wie manche Gedanken – und seien sie noch so absurd – sich in den Köpfen der Leute festsetzen und dort Wurzeln schlagen. In jedem Fall ist es eine sehr unterhaltsame Lektüre.«
    Oskar griff nach dem Buch und steckte es weg. Er hatte große Lust, auf sein Zimmer zu gehen.
    Humboldt blickte lächelnd in die Runde. »Schöne Sachen habt ihr euch ausgesucht, ich bin sehr zufrieden.« Er nippte an seinem Portwein. »Ich habe übrigens auch Neuigkeiten für euch. Während ihr unterwegs wart, kam ein Bote hier vorbeigeritten. Er hat mir einen Brief
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