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Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels

Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels

Titel: Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Jules Verne, Arthur Conan Doyle, Edgar Allan Poe, das waren seine Helden. Er hatte auch nichts gegen gute Sachliteratur einzuwenden. Reiseberichte, Lexika, Nachschlagewerke, nichts war vor ihm sicher. Was Letztere betraf, so war sein Vater daheim sehr gut ausgestattet. Er verfügte über eine der größten Bibliotheken Berlins, auch wenn er das nicht an die große Glocke hing. Was ihm fehlte, waren Romane. Er machte sich nichts aus Geschichten, die jemand sich ausgedacht hatte, wie er zu sagen pflegte. Doch Oskar war anderer Meinung. Früher hatten ihm die Geschichten über sein trostloses Leben hinweggeholfen, heute las er zur Entspannung. Es gab nicht einen Abend, an dem er vor dem Zubettgehen nicht noch ein paar Seiten schmökerte. Das half beim Einschlafen und bescherte einem tolle Träume. Er trug sich mit dem Gedanken, irgendwann selbst mal eine Geschichte zu schreiben. Stoff genug gab es ja, nach allem, was er an der Seite seines Vaters schon erlebt hatte. Die Abenteuer in Peru, die Entdeckung von Atlantis, die Begegnung mit der unheimlichen Kreatur aus den Tiefen des Weltraums … er brauchte nicht mal etwas hinzuerfinden. Irgendwann mal, wenn er nur etwas Zeit hätte …
    Ein Klingeln ertönte, der Fahrstuhl hielt an.
    »Stock drei, wir sind da.« Der Verkäufer winkte sie hinaus.
    »Kann ich mal kurz mit dir reden?«, sagte Oskar zu Charlotte.
    Die Nichte des Forschers hob amüsiert eine Augenbraue. »Was ist? Du willst mir doch nicht erzählen, dass du Angst hast, dich vor mir umzuziehen. Du hast gegen Rieseninsekten und Seemonster gekämpft.«
    »Nein, das ist es nicht.« Sein Blick fiel auf einen Jungen, der von seiner Mutter in einen Rollkragenpullover aus Wolle gezwungen wurde. Er hatte einen hochroten Kopf und kämpfte mit den Tränen. Offensichtlich kratzte das Teil wie die Hölle.
    »Was dann?«
    »Ich möchte dir einen Handel anbieten.«
    Ein süffisanter Zug erschien um ihren Mund. »Wie bitte?«
    »Ein Handel. Ein Deal, wie die Engländer sagen.« Er hoffte, sie mit seinen neu gewonnenen Englischkenntnissen zu beeindrucken. »Mein Vorschlag lautet, dass ich und meine Freunde mitspielen und die ganze Prozedur klaglos über uns ergehen lassen, wenn wir anschließend dem fünften Stock einen Besuch abstatten und uns etwas aussuchen dürfen. Ein Spielzeug, ein Buch oder etwas anderes.«
    »Das ist Erpressung.«
    »Das ist es.« Oskar grinste.
    Charlotte stemmte empört die Hände in die Hüften. »Auf keinen Fall werde ich mich auf so eine Forderung einlassen. Das wäre ja noch schöner, wenn wir jedes Mal …«
    Eliza legte Charlotte ihre Hand auf den Arm. Mit einem Lächeln sagte sie: »Ich glaube, das geht in Ordnung. Ich bin sicher, Carl Friedrich wird nichts dagegen haben. Hauptsache, es ist nicht zu teuer.«
    »Hurra!« Die fünf Freunde strahlten übers ganze Gesicht. Willi klopfte Oskar anerkennend auf die Schulter und Lena himmelte ihn mit ihren grasgrünen Augen an.
    Charlotte hingegen schüttelte den Kopf. »Das sind doch Ganovenmethoden«, sagte sie.
    »Wir sind Ganoven, vergiss das nicht«, erwiderte Oskar mit noch breiterem Grinsen.
    »Na gut, aber nur unter einer Bedingung: Ihr probiert alles an, was ich euch gebe. Widerspruchslos. Und ihr lasst die neuen Sachen gleich an. Die alten nehmt ihr mit als Arbeitsklamotten für zu Hause.«
    »Harte Forderungen«, sagte Oskar. »Aber so soll es sein. Auf, meine Freunde, los geht’s …«

 
3
     
     
    Es war bereits dunkel, als sie zurückkehrten. Die Villa des Forschers lag in völliger Finsternis. Rasch stellten die Freunde ihre Neuerwerbungen ab, liefen durch das Haus und entzündeten die Gaslampen. Im Nu herrschte wieder eine angenehme, heimelige Atmosphäre.
    Oskar lauschte. Von irgendwoher vernahm er leises Hämmern.
    »Wo ist denn Vater?«
    »Klingt, als wäre er wieder unten im Keller«, sagte Eliza. »So wie gestern und vorgestern.«
    »Und die ganze letzte Woche«, ergänzte Charlotte. »Ich frage mich, was er da treibt. Er hat ein neues Schloss anbringen lassen, redet mit keinem, kommt zu spät zum Essen – ich fange langsam an, mir Sorgen zu machen.«
    »Ich glaube nicht, dass ihr euch darüber Gedanken zu machen braucht«, sagte Eliza. »Solange er klopft und hämmert, geht es ihm gut.«
    »Und dann dieser neue Schuppen im Wald«, sagte Lena und kraulte Wilma dabei den Kopf. Der Kiwi gurrte wie eine Taube. »Er ist ziemlich groß und hat keine Fenster. Ich habe nach irgendwelchen Ritzen zum Reinschauen gesucht, aber
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