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Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels

Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels

Titel: Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels
Autoren: Thomas Thiemeyer
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beleidigt war, so ließ er es sich nicht anmerken.
    »Die Kerle konnten froh sein, dass ich nur den Stock benutzt habe«, sagte er. »Wären Sie gewalttätig geworden, hätte ich andere Saiten aufgezogen.« Er zog am Goldknauf seines Spazierstocks und das rasiermesserscharfe Rapier im Inneren kam zum Vorschein.
    »Ich bin sicher, sie haben es verdient«, sagte Sprengler. »Ihr Anführer, Karl Strecker, ist ein übler Bursche. Er ist schon des Öfteren wegen rüpelhaften Verhaltens aufgefallen. Bei dem Gedanken, dass so ein Kerl Student der Jurisprudenz ist, wird mir ganz übel.«
    »Warum erteilen Sie ihm keinen Verweis«, fragte Humboldt.
    Sprengler lächelte gequält. »Wenn das so einfach wäre. Sein Vater ist eine wichtige Persönlichkeit in der Regierung. Er hat die Macht, uns die Mittel zu kürzen, wenn wir seinen Sohn auf die Straße setzen. Und er würde es tun, dafür kenne ich ihn gut genug. Mit Leuten wie ihm an der Macht wird Deutschland eines Tages in große Schwierigkeiten geraten. Denken Sie an meine Worte.« Er zuckte mit den Schultern. »Sie sehen also, das Amt eines Universitätsdirektors ist kein Zuckerschlecken. Manchmal aber ist es auch das pure Vergnügen. So wie heute. Sie wissen vermutlich, dass ich das Amt von Professor Holtkötter übernommen habe, der diese Universität über dreißig Jahre lang geleitet hat. Viele seiner Methoden waren – nennen wir sie mal – veraltet. Ich mache keinen Hehl daraus, dass wir in vielen Fragen uneins waren. Zum Beispiel was Sie betrifft, werter Herr Donhauser. Ich sage meine Meinung ganz offen heraus: Ich halte es für einen unverzeihlichen Fehler, dass man Sie aus der Universität geworfen hat.«
    Humboldt setzte ein listiges Lächeln auf. »Wer sagt Ihnen denn, dass ich nicht freiwillig gegangen bin?«
    Sprengler lachte. »Das hätte ich an Ihrer Stelle jetzt vermutlich auch geantwortet. Aber vielleicht bietet sich ja eine Möglichkeit, diesen Fehler wieder zu korrigieren.«
    »Wenn Sie damit andeuten wollen, dass ich in den Dienst der Universität zurückkehren soll …« Humboldt schüttelte den Kopf. »Die Zeiten sind vorbei. Mir gefällt das Leben als Privatmann. Die Leute draußen auf der Straße sind weitaus offener und interessierter als hinter diesen Mauern. Die Aufträge sind interessanter und das Gehalt ist ebenfalls besser.«
    Sprengler lächelte wissend. »Ich habe vermutet, dass Sie so reagieren würden, und ich kann es Ihnen nicht verdenken. Aber warten Sie ab, wenn ich Ihnen erzähle, was ich Ihnen anzubieten habe. Vielleicht vermag ich Sie ja doch zu begeistern.«

 
6
     
     
    Sprengler beendete seinen Vortrag und sah sie der Reihe nach über den Rand seiner Brille hinweg an. Er hatte lange und ausführlich gesprochen, doch es hatte nur eines einzigen Wortes bedurft, um Charlottes Herz schneller schlagen zu lassen.
    Java.
    Sie wiederholte es noch einmal, nur um sicherzugehen, dass sie sich nicht verhört hatte.
    Sprengler nickte. »Der Südpazifik, genauer gesagt, die Sundainseln. Als Menschen mit Bildung wissen Sie vermutlich, dass dieser Bereich zum pazifischen Feuergürtel gehört, einer Zone, die von lebhaften Erdbewegungen und Vulkanismus geprägt ist.« Er faltete die Hände. »Wir hatten seinerzeit einen Spezialisten vor Ort, dessen Ziel es war, die Vulkanaktivität zwölf Jahre nach dem verheerenden Ausbruch des Krakatau zu untersuchen. Vor einigen Wochen kehrte er überraschend zurück, mit Neuigkeiten, die – nun ja – sagen wir mal, seltsam klingen.
    Er wurde bei einer Auseinandersetzung mit irgendwelchen Kreaturen schwer verletzt und musste umgehend nach Berlin zurückkehren. Anscheinend ist er auf etwas gestoßen, das ihn zutiefst erschüttert hat. Wäre der Mann nicht zufällig einer unserer besten und erfahrensten Gelehrten, ich hätte behauptet, er habe zu tief ins Glas geschaut. Aber so bleibt mir nichts anderes übrig, als die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass er die Wahrheit sagt.«
    »Wer ist der Mann und was hat er erlebt?«, fragte Humboldt. »Kann ich mit ihm sprechen?«
    Sprengler lächelte. »Ich wusste, dass Sie nicht lange um den heißen Brei herumreden würden. Daher habe ich mir erlaubt, ihn zu unserem Gespräch hinzuzubitten. Er wartet gleich nebenan. Darf ich ihn holen?«
    »Ich bitte darum.«
    Der Direktor stand auf und öffnete die Tür zu einem Nebenraum. Charlotte hörte, wie ein paar Worte gewechselt wurden, dann kam Sprengler zurück. In seiner Begleitung befand sich ein Mann, dessen linker
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