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Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels

Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels

Titel: Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels
Autoren: Thomas Thiemeyer
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eine Weile hasserfüllt nach oben, dann drehte sie um und verschwand im Nebel.

 
2
     
     
    Berlin, einige Wochen später …
     
    Das Warenhaus Wekwerth & Dorn warb damit, das erste auf dem europäischen Festland zu sein, das ausschließlich mit patentierten Glühlampen der Firma Edison Electric Light Co. beleuchtet wurde. Ein absolutes Novum für die Stadt, in der neunzig Prozent aller Lampen mit Gas betrieben wurden. Bereits jetzt, am Tag, erstrahlte der Eingangsbereich in geradezu blendender Helligkeit und ließ das Kaufhaus wie einen voll beleuchteten Ozeandampfer aussehen.
    Oskar kniff die Augen zusammen. »Und hier sollen wir etwas zum Anziehen finden?«
    »Natürlich.« Charlottes Augen funkelten angriffslustig im Licht der Glühbirnen. »Kennst du einen besseren Ort? Dieses Kaufhaus ist das größte und modernste in ganz Berlin und es hat gerade erst eröffnet. Alle Welt spricht davon, nur wir waren noch nicht drin.«
    »Wenn es nach mir ginge, könnte es auch so bleiben«, murmelte Oskar, doch er tat es leise und mit sanfter Stimme. Die Nichte des Forschers Carl Friedrich von Humboldt besaß ein ausgesprochen hitziges Temperament. Man tat gut daran, sie nicht zu ärgern.
    »Ich war mit Hambacher & Co. immer ganz zufrieden«, sagte er. »Die Sachen halten ewig.«
    »Das ist ja genau das Problem. Sie halten so ewig, dass du mittlerweile längst rausgewachsen bist. Sieh dich doch mal an. Du siehst immer noch aus wie ein Straßenjunge. Das gilt übrigens für euch alle.« Charlottes Blick traf auf Oskars Freunde, die eng zusammenstanden und in die Helligkeit blinzelten. »Mein Onkel hat mir aufgetragen, euch neu einzukleiden. Er hat gesagt, ich soll aus euch neue Menschen machen, und genau das habe ich vor. Hier drin gibt es Mode aus der ganzen Welt. Kleider aus Paris, Schuhe aus Mailand, Hosen aus New York, Anzüge aus London. Eliza, sag du ihnen bitte noch mal, dass sie dringend neue Sachen brauchen!«
    Die Haitianerin lächelte beschwichtigend: »Also kommt.«
    Willi, Bert, Maus und Lena blickten skeptisch auf das Schild über dem Eingang. »Wekwerth & Dorn werden auch Sie einkleiden – maßgeschneidert für Ihren Geldbeutel. Luxus, den Sie sich leisten können. Sie werden staunen.«
    »Ick staun jetzt schon«, sagte Maus, der Kleinste und Jüngste in der Gruppe. Mit seinen leuchtenden Augen und den flinken Bewegungen erinnerte er an ein quirliges Eichhörnchen. »Wo se wohl den janzen Strom herkriegen, um det Ding zu beleuchten? Muss ja ’n Vermöjen kosten.«
    »Angeblich haben die im Keller einen Generator«, sagte Oskar. »Ein Gerät, so groß wie mein ganzes Zimmer.«
    Verblüffte Gesichter waren die Antwort. Seine Freunde hatten lange Jahre zusammen mit Oskar auf der Straße gelebt, ehe sie vom Forscher aufgenommen worden und in Lohn und Brot gestellt worden waren. Mittlerweile verrichteten sie Hausarbeiten, kümmerten sich um die Pferde und halfen Eliza in der Küche. Das Anwesen des Forschers glich einem luxuriösen Waisenhaus mit dem Unterschied, dass hier alle eine Arbeit hatten, für die sie bezahlt wurden. Die Tage begannen früh und endeten spät, denn es gab viel zu tun. Humboldt hatte sich während des letzten Jahres einen Namen als Spezialist für unerklärliche Phänomene gemacht, und es war erstaunlich, wie viele es davon gab. Die Kunden rannten ihm förmlich die Tür ein und Humboldt wurde mit den allermerkwürdigsten Fällen beauftragt. Und er löste sie alle, mochte es sich nun um Gespenster, Grubenunholde oder nächtliche Lichterscheinungen handeln. Bewaffnet mit Lupe, Fotoapparat, chemischen Utensilien und einer Portion gesunden Menschenverstandes machten sie sich ans Werk und gingen den Dingen auf den Grund. Fast immer gab es eine natürliche Ursache für die Phänomene, auch wenn man manchmal etwas tiefer graben musste. Wie zum Beispiel bei dem Poltergeist in einer Nobelvilla, der sich als ein besonders raffinierter Marder entpuppt hatte. Trotzdem waren die Menschen froh und dankbar, von ihren Sorgen erlöst zu sein. Obwohl die Welt mit einem Fuß bereits im zwanzigsten Jahrhundert stand, herrschten in vielen Köpfen noch immer erschreckend mittelalterliche Ansichten. Vorstellungen, die von Ängsten und Aberglauben begünstigt wurden. Ein weites Betätigungsfeld für jemanden wie Carl Friedrich von Humboldt, der mit seinem scharfen Intellekt jedes noch so vertrackte Rätsel zu knacken vermochte. Und Oskar war stolz, an der Seite seines berühmten Vaters arbeiten zu dürfen.
    »Hm
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