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Chroniken der Jägerin 3

Chroniken der Jägerin 3

Titel: Chroniken der Jägerin 3
Autoren: M Liu
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Rührschüsseln und den Bergen von Mehl, das auf dem Tisch verstreut war, kaum zu sehen.
    »Ich kann mit dem Messer umgehen!«, sagte Mary zu meinem Großvater und schlug sich dabei mit der Faust auf die Brust. »Leck mich.«
    »Ausgesprochen charmant«, gab Jack zurück. »Ich schlage vor, du bleibst besser dabei, Marihuana anzupflanzen, Marritine, und überlässt das Kuchenbacken lieber mir.«
    Die alte Frau fauchte ihn an. Byron hatte sich auf einer der Enzyklopädien niedergelassen, sah den beiden zu und nippte in aller Ruhe an einer Tasse heißer Schokolade. Mir entging die Vorsicht in seinem Blick keineswegs, wann immer er Jack ansah – es war eine unfreiwillige Reaktion, und ich bezweifelte sehr, dass er sie jemals würde ablegen können.
    Der Junge hielt mir den Becher hin, aber ich lehnte ab. Dek und Mal allerdings lugten mit ihren Köpfen aus meinem Haar und starrten auf sein Getränk. Byron tat, als hätte er es nicht bemerkt. Er verstand es nämlich ganz ausgezeichnet, die Jungs zu ignorieren.
    Grant klopfte mit seinem Stock auf den Boden, und Marys finstere Miene verwandelte sich in ein dermaßen süßes Lächeln, dass ich beinahe vergessen hätte, was für eine ausgebildete
Killerin sie war. Sie ließ das Messer senkrecht in dem Kuchen stecken und tanzte dann auf ihren Zehenspitzen auf Grant zu. Er küsste sie auf die Wange – und die alte Frau schmolz dahin. Ein wenig jedenfalls.
    Ich gesellte mich zu Jack. Er versuchte gerade, das Messer wieder aus dem Kuchen zu ziehen, schaffte es aber nicht. Ich schob ihn sanft beiseite. Mary, das verrückte Weib, hatte die Spitze der Klinge durch die Backform hindurch direkt bis in die Tischplatte getrieben.
    »Du hättest alles das überhaupt nicht tun müssen«, sagte ich zu meinem Großvater, während ich das Messer ächzend herauszog.
    »Wie hätte ich das denn bitte schön lassen sollen?« Jack stippte seinen Finger in den Kuchen, genau dorthin, wo das Messer ein Loch hinterlassen hatte, und leckte ihn ab. »Apfel. Und die da drüben ist mit Pfirsich. Die mit Pekannüssen erkennst du ja selbst. Und ich versichere dir, dass sie alle ganz frisch sind. Wegen der Zutaten bin ich heute Morgen extra zum Pike Place Market gegangen, wo ich mit Zombies und gierigen jungen Frauen um die beste Ware gekämpft habe, und das alles nur für dich.«
    »Mein Held! Ich wusste nicht einmal, dass du backen kannst.«
    »Aber Liebes« – dabei legte er seine Hand auf meine Schulter – »bevor ich an der spanischen Grippe gestorben war, hatte ich für kurze Zeit als Sohn eines Bäckers in New York gelebt. Im frühen 20. Jahrhundert ist das gewesen. Das Talent habe ich noch immer.«
    »Und wie viele Leben hast du gelebt? Ich bin überrascht, dass du dich überhaupt an irgendetwas erinnern kannst.«
    »Tu ich ja auch nicht.« Er krempelte seine Hemdsärmel
hoch, um mir seine Tätowierungen zu zeigen: Wörter, Symbole, sogar Zahlen. »Alte Männer brauchen manchmal ein wenig Nachhilfe.«
    Ich lächelte und machte mich daran, den Kuchen aufzuschneiden. »Du machst nichts als Ärger, alter Wolf.«
    »Aber natürlich.« Er stützte sich auf den Tisch und beobachtete mich. Es fühlte sich wohlig an. Mein Großvater. Ich hatte also einen Großvater. Ich konnte es immer und immer wieder sagen, ohne dass es mir jemals langweilig wurde, diesen Satz zu hören.
    »Wie war dein Name, als du noch der Sohn des Bäckers warst?«
    »Michael«, erwiderte er. »Ich fand ihn im Uterus, als er noch ein kleiner Haufen aus lauter Zellen war. Er war wirklich entzückend. Da pflanzte ich mich ihm ein, träumte eine Weile – und das Nächste, an das ich mich erinnerte, war meine Geburt. Meine Mutter hieß Hannah, mein Vater Robert. Sie waren gute Menschen. Streng und eigentlich auch zu ernst für ein Paar, das Süßigkeiten an Kinder verkauft. Aber ich mochte sie trotzdem.«
    »Warum hast du dich von der Grippe töten lassen? Hättest du nicht dagegen ankämpfen können?«
    »Ich war mit diesem Körper fertig, und auf mich warteten noch so viele andere Abenteuer. Außerdem kann die Erfahrung von Sterblichkeit in ihren verschiedenen Formen auch … na ja, erhellend sein.« Jacks Lächeln erlosch. »Ist was nicht in Ordnung ?«
    Ich dachte an den Zombie, den ich vor weniger als einer Stunde exorziert hatte. »Es klingt so einfach, wenn du es sagst, aber ich habe immer noch Probleme damit, mich daran zu gewöhnen, dass du von Menschen einfach so Besitz ergreifst. Du
bist kein Dämon, und doch benutzt
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