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Chroniken der Jägerin 3

Chroniken der Jägerin 3

Titel: Chroniken der Jägerin 3
Autoren: M Liu
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Finsternis geschaffen, zusammengehalten von einem riesigen Kerker vergessener Dinge, endlosen Welten aus Knochen, Blut und Häuten, über denen sich ein Firmament aus Sternen erstreckte. Ich fühlte die Sterne in meinen Venen glitzern, während mein Herz Licht in die Dunkelheit pumpte und wartete. In meinem Traum aß ich dieses Licht und schluckte jedes brennende Stückchen davon eine Kehle hinunter, die kurvig war und verdreht und die sich schließlich selbst zu einem riesigen endlosen Kreis verknotete. Dieser Kreis war
ich, wie auch die Windungen und der Knoten. Der Hunger, der mich überkam, schien kein Ende zu nehmen. Kein Ende, niemals.
    »Wir haben versucht, dich zu warnen« , hallte die Stimme meiner Mutter aus der Dunkelheit. Jedes Wort schien in den Sternen gefangen, die in dem verdammten Fluss meines Blutes flossen. »Wir gaben dir Zeichen und Rätsel und Narben. Wir fütterten dich mit Träumen, mit diesen Träumen.
    Aber du hast uns nicht verstanden. Also wird es geschehen.
    Deshalb bist du so.
    Sei stark, Baby, sei bloß stark.«
    Ich öffnete die Augen.
    Ich war gar nicht im Bett. Ich lag zusammengerollt auf dem Boden und zitterte. Es war kalt. So kalt, dass ich mir einen Moment lang einbildete, ich sei in Schnee und Eis verloren und ruhte auf eisigem Boden. Doch da gab es keine Schneewehe und keinen dunklen Himmel. Nur ein Raum war da: gefüllt mit Büchern und bequemen Stühlen, einem großen Klavier in der Ecke und einem roten Motorrad, das neben dem Sofa stand.
    Zuhause.
    Mein süßes Zuhause , dachte ein Teil von mir, aber ich fühlte mich seltsam beklommen bei dem Gedanken. Ein Zuhause zu haben, das kam mir irgendwie falsch vor. Ich war doch eine Nomadin. Ich lebte in meinem Auto und in Hotelzimmern. Ich war ohne Wurzeln.
    Diesen Ort aber kannte ich. Ich wusste, dass dies hier mein Zuhause war und ich hierhergehörte. Ich lag ganz still, ließ dieses Gefühl einfach auf mich wirken und fühlte, wie kleine Zungen meine Ohren leckten. Schwere Körper, lang wie Schlangen, wanden sich durch mein Haar. Ich spürte ein doppeltes, sanftes Schnurren an meinem Kopf.

    »Maxine«, schnarrte eine leise Stimme. »Süße Maxine.«
    Ich bewegte mich nicht. Sich nicht zu regen, schien mir das Sicherste zu sein, was ich tun konnte; ich lag so still und leise da wie eine Maus.
    »Du klingst ängstlich«, flüsterte ich. »Zee.«
    Der kleine Dämon kroch aus der Dunkelheit und zog seine Klauen auf dem harten Boden hinter sich her, sogar jetzt noch ganz graziös, so als bestünden seine Muskeln aus Wasser und Wind und schwebten unter seiner angespannten Haut. Eine silberne Vene pulsierte an seiner Kehle, aber sein Herz schlug nicht ruhig und gleichmäßig. Eher nervös. Hektisch.
    Er schaffte es nicht, meinen starren Blick auf sich zu lenken, und das Unbehagen, das ich verspürte, seit ich meine Augen geöffnet hatte, dieses sich verstärkende Gefühl, dass etwas falsch war, wuchs und wurde in meinem Bauch schwerer und größer. Außerdem fühlte ich mich von einer unfassbaren Leere gejagt: Ein enormes Loch tat sich mitten in meinem Herzen auf. Es fühlte sich wie Kummer an, nur wusste ich nicht, worum ich trauerte.
    Ich hörte ein Schnüffeln und versuchte endlich, mich aufzurichten. Doch ich schaffte es nicht allein. Meine Muskeln waren unbeschreiblich schwach, meine Gelenke wie aus Gummi, als wäre ich die ganze Nacht herumgerannt und hätte einen Baseballschläger geschwungen. Jeder Zentimeter meines Körpers fühlte sich verbraucht an. Mein Kopf schmerzte, und ich hatte den Wunsch, mich wieder hinzulegen.
    Schlanke, feingliedrige Hände mit Krallen an den Fingern griffen unter meine Ellenbogen. Das waren Rohw und Aaz. Ihr stacheliges Haar lag fest an den dunklen Schädeln an, ihre roten und funkelnden Augen waren weit aufgerissen. Übergroße Baseballhemden, die auf dem Boden schleiften, bedeckten
ihre Körper, und ihre bekrallten Füße verhedderten sich in dem Stoff, während sie mir eng aneinandergeklammert in den Schoß fielen. Ich fühlte, wie sie zitterten, und hörte, wie sie anfingen, an ihren Klauen zu lutschen – wie Säuglinge. Dek und Mal wickelten sich noch fester um meinen Kopf, und ihr Schnurren endete abrupt in einer grässlichen Stille.
    Ich versuchte zwar zu sprechen, aber meine Stimme versagte mir den Dienst. Ich versuchte es noch einmal, nun etwas langsamer, aber es fühlte sich an, als hätte ich einen Schlaganfall erlitten, so sehr kämpfte ich damit, auch nur das kürzeste Wort zu
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