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Chroniken der Jägerin 3

Chroniken der Jägerin 3

Titel: Chroniken der Jägerin 3
Autoren: M Liu
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mir in den Sinn, wie meine Mutter die Geburtstagstorte durch die Küche getragen hatte, wie das Fenster
explodiert war – und unmittelbar danach auch ihr Kopf. Ich dachte an all das Blut, an die schluchzenden Jungs und meine eigenen Schreie, mein Weinen. Ich erinnerte mich an diese besessenen Männer und Frauen, die Zombies, von denen sie abgeschlachtet worden war.
    Schon längst hatte ich den Überblick darüber verloren, wie viele Dämonen ich über die Jahre exorziert hatte, aber diejenigen, die ich regelmäßig an meinem Geburtstag erledigte, waren immer etwas ganz Besonderes.
    Dabei ging ich behutsam vor und presste meine Handfläche an ihre Stirn. Ich sprach die Worte – und der dämonische Parasit streckte sich, immer länger, während er um sein Leben kämpfte. Er war sehr tief in den Wirt eingedrungen, hatte sogar vollkommen von ihm Besitz ergriffen. Schon jahre-, wenn nicht sogar jahrzehntelang hatte er diese Frau beherrscht, sie als Marionette benutzt, um sich von dem Leiden zu nähren, das er durch sie verursacht hatte. Er fraß sich richtig fett an all dem Schmerz.
    Schließlich löste sich der Parasit mit einem Ruck vom Wirt. Aaz schnappte ihn sich zuerst, dann übernahmen ihn Rohw und Zee. Dek und Mal schnurrten. Ich sah weg und versuchte die schrillen Schreie der Kreatur zu ignorieren, während meine Jungs sie fraßen. Ich konzentrierte mich auf die Frau und kontrollierte ihren Puls. Dann fand ich ihren Ausweis. Sie wohnte ganz in der Nähe, eine Joggerin. Dies war also eine schlechte Nacht gewesen – für ihr Training. Diese Parasiten und ihre besondere Art von Vergnügen!
    Zee glitt näher und fuhr sich mit der langen, schwarzen Zunge über die Zähne. Ich roch Schwefel und Asche.
    »Maxine«, flüsterte er, »herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag.«

    Ich wischte den Regen aus meinem Gesicht und ging zum Auto zurück.

    Längst war ich dazu übergegangen, eine Kiste mit Prepaid-Einwegtelefonen im Wagen zu bunkern. Öffentliche Telefonzellen waren nämlich selten geworden.
    Ich kramte eines heraus und rief den Notruf an, dem ich erzählte, dass eine bewusstlose Frau im Park läge. Dass sie außerdem ihre Erinnerung verloren hatte, verschwieg ich allerdings. Alte Gewohnheit. Aaz fraß das Telefon, nachdem ich das Gespräch beendet hatte.
    Auf dem Weg zur Party sprachen wir kein Wort miteinander. Dek und Mal pusteten ihren Atem in meine Haare und versuchten auf diese Weise, sie zu trocknen. Ich drehte das Radio lauter. Aaz und Rohw zerrten dampfende Pizzas aus den Schatten und verschlangen sie, dazu auch noch einen Eimer Farbe, eine Packung Blumendünger und mehrere Dosen Schlagsahne. Zee hockte auf dem Beifahrersitz, die spitzen, knorrigen Knie an die Brust gezogen, und schaukelte stumm vor und zurück.
    Grant wartete bereits am Eingang der Kunstgalerie auf mich. Er war groß, breitschultrig und stützte sich auf seinen Spazierstock. Sein braunes Haar war so feucht, als hätte er seinen Kopf in den Regen gestreckt, um nach mir Ausschau zu halten. Die Lichter in der Galerie waren gedämpft, und von oben hörte ich Musik. Tschaikowsky. Dornröschen .
    Ich versuchte zu lächeln, doch war ich ja nass, und mir war kalt, kalt bis auf die Knochen. Mein Herz tat weh. Grant sah es mir auf den ersten Blick an. Er zog mich hinein und nahm mich in die Arme. Lange Zeit hielt er mich einfach nur fest. Ich lauschte dem Regen, dem Schnurren von Dek und Mal und
dem Kratzen von Krallen auf dem Parkettboden. Ich lauschte meinem Herzschlag und dem Grants, die sich beide zusammen im vollkommenen Einklang befanden.
    Langsam, ganz langsam fing ich an, mich zu entspannen.
    »Ich hasse meine Geburtstage«, flüsterte ich.
    Er versuchte gar nicht erst, mich zu trösten, erzählte mir auch nicht, dass es wieder besser werden würde. Er hielt mich einfach nur fest umschlungen, küsste meinen Scheitel, die geschlossenen Augen und dann meinen Mund. Ich fühlte, wie er seine unrasierte Wange an meiner rieb. Er war so warm.
    »Komm«, hauchte er mir schließlich ins Ohr, »tanz mit mir bis zur Treppe.«
    Ich lächelte und drückte ihm einen Kuss auf den Hals. »Es ist dein Leben.«
    »Ich vertraue dir.« Grant stützte sich auf seinen Gehstock und hielt mir den Arm hin. »Du darfst sogar führen.«
    »Oh, wow!«, gab ich zurück und wischte mir mit dem Ärmel über die Nase. »Wenn das nicht Liebe ist.«
    »He!«, knurrte er, grinste aber und zuckte beiläufig mit den Schultern. Aaz und Rohw kicherten. Zee, der
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