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Chill mal, Frau Freitag

Titel: Chill mal, Frau Freitag
Autoren: Frau Freitag
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ganz großartig.
    Emotionslos haben mir alle Kinder noch mal zwei Euro und die Hälfte der ausgegebenen Schulbücher mitgebracht. Morgen verlange ich den kleinen Finger der linken Hand. Finanziell steht die Sache. Selbst Abdul hat noch Cash gebracht. Eigentlich hätte er mir auch einen Klumpen Gold geben können.
    Jetzt allerdings macht das Busunternehmen Zicken. Die wollen UNBEDINGT die genaue Anzahl der mitkommenden Personen wissen. Die kann ich ihnen aber nicht geben, da die anderen Klassen mit dem Bezahlen nicht so vorbildlich sind wie meine. Und dann der Hammer: Der Bus, den ich ursprünglich gebucht hatte, der wollte einen Pauschalpreis. Wenn man dann zwei Klassen mit je zweiundzwanzig Schülern beisammen gehabt hätte, dann wären pro Klasse zwei Lehrer kostenlos kutschiert worden. Die Halsabschneider von unserem jetzigen Busunternehmen verlangen aber plötzlich einen Festpreis pro Person. Ich frage die Tante am Telefon zur Sicherheit noch einmal: »Okay, ich verstehe, die Schüler zahlen also pro Sitzplatz. Und ab wie vielen Schülern fährt der Lehrer umsonst mit?«
    »Äh, die Lehrer müssen auch bezahlen.«
    »Echt? Wie viel denn?«
    »Ähh, hihi«, sie kichert leise und peinlich berührt, »äh, den gleichen Preis.«
    »Ist das Ihr ERNST? Ich setze mich stundenlang in einen Bus und soll dafür auch noch BEZAHLEN?«
    »Ja, äh, ja.«
    In versöhnlichem Ton sage ich: »Okay, jetzt mal angenommen, ich liefere Ihnen noch eine Klasse, dann haben Sie noch mal über zwanzig zahlende Schüler mehr. Da MUSS sich doch was machen lassen! Das andere Busunternehmen wollte nur einen Pauschalpreis. Wie viel kostet denn Ihr Bus?«
    »Äh, äh, hihi, ich frag noch mal nach, vielleicht kann ja, äh, äh …«
    Die Tante spinnt doch wohl. Ich zahle doch nicht dafür, dass ich um fünf Uhr aufstehen muss, mich dann in einen Bus mit siebzig lärmenden Jugendlichen setze und an einen Ort fahre, an den ich gar nicht will. Ich gebe doch den Autofahrern, die mir beim Fahrradfahren die Vorfahrt nehmen, auch kein Geld. Wo kommen wir denn da hin. Also, die ist auf keinen Fall Lehrerin und noch nicht mal mit einem Lehrer verheiratet.
    Dann kommt der Tag der Entscheidung. Das denken zumindest die Schüler. In der ersten Stunde sage ich ihnen, dass ich erst in der fünften Stunde genau sagen kann, ob wir nun HP gehen oder nicht. Nur so kann ich sicher sein, dass sie nicht schon früher nach Hause abhauen. Inzwischen weiß ich jedoch bereits, dass wir einen Doppeldeckerbus bekommen haben, in den alle Schüler passen, und alles schon gebucht ist. Wir erhalten allerdings nur drei Freiplätze für die Lehrer. Jede der drei Klassen wird aber natürlich von jeweils zwei Lehrern begleitet, neben mir fahren Anita, Willi und zur Unterstützung drei Junglehrer mit. Wir müssen demnach also die Hälfte selbst zahlen. Unverschämt.
    Irgendwas in mir möchte aber die endgültige Zusage noch hinauszögern, weil ich echt keinen Bock auf diesen Höllentrip habe. Meine Schüler sind ganz aufgeregt, als ich ihnen sage, dass ich das Busunternehmen gegen Mittag anrufen werde und sich dann entscheidet, ob alles klappt. Sie können sich gar nicht vorstellen, dass ich nicht in den Heidepark möchte und fragen ganz aufgeregt: »Frau Freitag, was glauben Sie? Meinen Sie, wir fahren? Oder nicht?«
    »Keine Ahnung, kann ich echt nicht sagen. Aber einige haben ihre Bücher noch nicht abgegeben. Ich lese noch mal die Namen vor.«
    In der vierten Stunde dann der Schock! Ich putze mit einigen Schülern meiner Klasse fröhlich meinen Raum. Alle machen mit und wir sind bester Dinge, als sie mir plötzlich erzählen, dass Abdul geplant hat, Alkohol zu besorgen, damit sie sich VOR der Busfahrt noch besaufen können. Ich bin sprachlos: »WAS?« Ich erfahre unglaubliche Details und die Namen der Partizipierenden. Alle Anwesenden distanzieren sich natürlich. Auch Abdul versucht, sich von sich selbst zu distanzieren: »Hab ich doch gar nicht gesagt!« Chancenlos – die anderen brüllen ihn sofort nieder. Nach der Stunde bin ich meinen ehrlichen Schülern zwar dankbar, habe aber absolut keine Lust mehr auf die Fahrt. Ich sehe schon jetzt mehrere besoffene Schüler im Rotes-Kreuz-Zelt, Elterngespräche am Handy, missmutige Kollegen, die meinetwegen warten müssen, Untergang und Verdammnis, den Tod einzelner Schülerinnen, Disziplinarverfahren, Arbeitslosigkeit, Wohnungsverlust, Messietum und ein ewiges Mietnomadendasein.
    Kurz vor der fünften Stunde bündele ich meine
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