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Chill mal, Frau Freitag

Titel: Chill mal, Frau Freitag
Autoren: Frau Freitag
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Kollegen von meiner verpeilten Klasse. »Heidepark, Klassenfahrt – aber sonst geht es denen noch gut, oder was?«
    Schon am Nachmittag sitze ich allerdings im Reisebüro: »Und könnte man da vielleicht auch mit dem Zug hinfahren? Ja genau, Soltau, da mit dem Heidepark und so …«
    Am nächsten Morgen will ich nur kurz in den Unterricht einer Kollegin gehen, um meiner Klasse etwas Organisatorisches anzusagen. Aus kurz wird schon mal nichts. Und zu der Ansage komme ich auch nicht. Bereits als ich die Tür aufmache, werde ich von allen Seiten bombardiert: »Wieso gehen wir nicht HEIDEPARK?« – »Ja, ALLE gehen, nur wir WIEDER nicht!« Ronnie scheint innerlich zu explodieren, weil er die Ungerechtigkeit, an der allein ICH schuld bin, nicht länger erträgt: »Nie machen wir was SCHÖNES!«
    Ich versuche, ruhig zu bleiben: »Wir reden morgen über den Heidepark. Ich will kurz mal was ansagen.«
    »Jaja, morgen. Wahrscheinlich fliegen wir auch nicht nach Italien«, schreit Sabine von hinten. Nach Italien fliegen – wann war davon jemals die Rede? »Überhaupt versprechen Sie IMMER Sachen, und dann machen wir das NIIIEEE.«
    Langsam reicht es mir. »Ja, ich bin ganz schrecklich. Wechselt doch alle die Schule.« Undankbares Pack! Ohne Verabschiedung stürze ich aus der Klasse.
    Draußen rauche ich und lasse mich von den Kollegen beruhigen: »Das hat nichts mit dir zu tun. Du musst das von dir ablösen.« Leicht gesagt, dieser scheiß Heidepark klebt!
    Als ich nach Hause gehen will, sehe ich einige Schüler meiner Klasse auf der Straße. Ronnie schmollt noch immer: »Aber warum gehen wir nicht Heidepark?«
    »Ronnie, woher soll ich denn wissen, dass ihr da hin wollt? Ihr hättet mir das mal sagen müssen!«
    Er bleibt stehen und sieht mich völlig entgeistert an: »DAS HABEN WIR IHNEN DOCH IN DER 7. KLASSE GESAGT UND DA HABEN SIE GESAGT, WIR MACHEN DAS IN DER NEUNTEN!«
    »In der Siebten, tja, Ronnie, tut mir leid, dass ich mir das nicht gemerkt habe. Weißt du, so wichtig ist mir persönlich der Heidepark wohl nicht. Ihr hättet mich einfach mal daran erinnern müssen.«
    Von hinten nähert sich die entspannte Esra. »Frau Freitag, wir sind zwar laut und nervig, aber wir können gut organisieren, das wissen Sie. Wir planen das jetzt einfach alleine. Ich gehe nachher ins Reisebüro und frage, was das kostet, und morgen in Deutsch frage ich, wer mitkommen möchte.«
    »Super! Macht das! Wenn ihr wirklich fahrt, dann komme ich gerne mit.«
    Ich versuche begeistert zu klingen, aber ich befürchte fast, dass meine Klasse das hinkriegt und uns einen Trip in diesen Park des Grauens organisiert. Vor meinem inneren Auge visualisiere und antizipiere ich bereits, wie das werden könnte:
    Wir müssen ganz früh zum Bus. Um sechs Uhr soll der abfahren. Ich habe mir neue Sandalen angezogen und schon zwei fette Blasen an den Füßen, als ich an der Schule ankomme.
    Um zehn vor sechs sind nur Samira, Sabine und ein schlechtgelaunter Ronnie da.
    »Die anderen kommen gleich, die treffen sich vorher«, sagt Samira. Warum müssen die sich eigentlich vor jedem Treffen immer erst treffen? Um sechs Uhr fehlen immer noch fünf Schüler. Der Busfahrer hat aufgeraucht und will jetzt losfahren. Yeah, denke ich, endlich bekommen sie mal die Konsequenzen zu spüren, wenn sie perfekt geschminkt und mit aufwendig ondulierten Haaren den Rücklichtern des Busses nachwinken. Ich steige ein: »Herr Busfahrer, wir können dann los.«
    »Nein«, brüllt Samira. »Esra, Marcella, Abdul, Antonia und Ayla fehlen noch. Ich ruf die mal auf dem Handy an.« Sie telefoniert und flirtet dann mit dem Busfahrer. Sie dreht und wendet sich auf der Stelle, legt den Kopf schief und redet und redet. Scheiße, der Busfahrer lächelt und steckt sich noch eine Zigarette an.
    Kurz vor 6.30 Uhr fährt der Bus los – mit allen Schülern. Ich bin jetzt schon bedient. Es sollen 35 Grad werden. Niemand außer mir hat eine Mütze dabei. Nicht mal Mehmet und Abdul, die in jeder Unterrichtsstunde eine tragen. Es werden alle Arten von Süßigkeiten durch den Bus gereicht. Abdul hat Boxen für seinen MP3-Player dabei. Schlechte, billige Boxen. Die Musik scheppert. Die Kinder versuchen die Musik zu übertönen und schreien durch den Bus. Der Fahrer ermahnt sie mehrfach, sich hinzusetzen. Mir ist alles unglaublich peinlich, und ich bereue es, Lehrerin geworden zu sein. Ich könnte jetzt gemütlich die Kaiser’s-Filiale putzen, öffnen und einen netten Tag an der Kasse
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